DIE SCHIEFLAGE DER NATUR
übersetzt
die
Intervention
des
Museums
in
eine
Schieflage
von
Bildern.
An
Kunst
kann
man
allenfalls
noch
vorbeigehen,
an
dem
großen
Thema
Klimawandel
nicht.
Diesem
widmet
sich
in
einer
eigens
konzipierten
Form
das
Leopold
Museum
anhand
der
Sammlung
und
weltberühmter
Landschaftsgemälde,
die
um
genau
jenen
Grad-Wert
geneigt
wurden,
um
welchen
die
Tem-peratur
in
den
gezeigten
Gebieten,
etwa
der
Atterseeregion
oder
den
Voralpen,
steigen
könnten.
Die
Intervention
A
Few
Degrees
More
ist
im
Rahmen
der
Ausstel-
lung
Wien
1900.
Aufbruch
in
die
Moderne
im
Leopold
Museum
erlebbar
und
wird
bis
26.
Juni
zu sehen sein.
„Kunstmuseen
sind
Orte,
in
denen
Menschen
die
Welt
durch
den
gefilterten
Blick
der
Künstler*innen
erfahren
können
und
mit
Themen,
Denkweisen
und
Weltsichten
konfrontiert
werden,
die
auch
unbequem,
fordernd
oder
provokant
sein
können.“
sagt
Leopold
Museum-Direktor
Hans-Peter
Wipplinger
und
möchte
damit
natürlich
auch
ein
Zeichen
gegen
die
aggressive
und
teils
zerstörerische
Vorgehensweise
der
Aktivisten
der
„letzten
Generation“
setzen.
Parallelen
zum
Schutz
der
Umwelt
sieht
er
auch
in
der
nachhaltigen
Funktion
von
Museen,
die
eine
Rolle
in
der
Gesellschaft
einnehmen,
indem
sie
sich
als
Räume
der
Inspiration
verstehen
und
das
kulturelle
Erbe
für
die
nächsten
Generationen
bewahren
und
vermitteln.
Inspiriert
war
auch
die
Kreativagentur
Wien
Nord
Serviceplan, die diese hervorragende Idee zur Gestaltung hatte.
Neugierig,
wie
der
MÜRZPANTHER
nun
einmal
ist,
hat
er
um
ein
Gespräch
und
Erläuterungen gebeten.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
Die Exponate zeichnet ihre Bedeutung für die Vermittlung unserer Geschichte aus.
Es geht ja gerade darum zu irritieren, zu zeigen, was ein paar Grade mehr ausmachen.
dMP: Welche Funktion allgemein hat Ihrer Meinung nach heute ein Museum?
Hans-Peter
Wipplinger:
Museen
bewahren,
dokumentieren
und
präsentieren
herausragende
Objekte
der
Vergangenheit.
Die
Exponate,
die
in
Museen
gelangen,
zeichnet
beispielsweise
ihre
Seltenheit,
ihr
künstlerischer
oder
materieller
Wert
oder
ihre
Bedeutung
für
die
Vermittlung
unserer
Geschichte
aus.
Manche
Museen
sind
spezialisiert,
zeigen
vor
allem
kunsthistorische
oder
naturhistorische
Objekte,
andere,
wie
etwa
das
Wien
Museum,
sammeln
darüber
hinaus
auch
Objekte
des
alltäglichen
Lebens,
arbeiten
Kapitel
unserer
Kulturgeschichte
auf.
In
Museen
vermitteln
wir
den
Besuchern
Errungenschaften
und
Leistungen
früherer
Generationen,
bieten
die
Möglichkeit
die
Gegenstände
im
Original
zu
betrachten und stellen die Häuser als Diskursplattform zur Verfügung
dMP:
Die
Initiative
A
Few
Degrees
More
zur
Bildhaftmachung
der
weltweiten
Umweltsituation
scheint
recht
gelungen
zu
sein
–
allerdings
macht
es
den
Eindruck,
dass
sie
als
„Reaktion“
auf
Klimaaktivisten
erfolgt
und
damit
auch
besagt:
Seht
her,
wir
machen etwas! Scheint das Ganze nicht etwas "aufgesetzt"?
Hans-Peter
Wipplinger:
Ich
freue
mich
über
die
grundsätzlich
positive
Einschätzung
unserer
Intervention.
Die
Aktion
der
Klimaaktivisten
der
Letzten
Generation
im
Leopold
Museum
sowie
vergleichbare
Vorfälle
an
anderen
(Museums)Schauplätzen
in
Europa
führte
zur
Überlegung,
dass
es
möglich
sein
muss
sich
ohne
aggressive
und
destruktive
Mittel,
auf
innovative
und
konstruktive
Weise
mit
dem
Thema
Klimakrise
auseinanderzusetzen.
Bereits
2020,
mitten
in
der
Corona-Pandemie,
hatten
wir
uns
in
der
Ausstellung
HUNDERTWASSER
–
SCHIELE.
Imagine Tomorrow
mit Umweltfragen beschäftigt.
Es ist Aufgabe der Kunst- und Kulturmacher aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen.
dMP:
Im
Museum
wird
man
seit
geraumer
Zeit
generell
zu
politisch-
gerechten
Themen
belehrt
und
die
Kunstwerke
werden
in
Zusammenhang
gebracht,
was
so
von
den
Künstlern
nie
vorgesehen
war.
Ist
das
eine
Instrumentalisierung
von
Kunst,
um
sich
selbst als Museum als zeitgeistig, modern und korrekt darzustellen?
Hans-Peter
Wipplinger:
Die
temporäre
Aktion
A
Few
Degrees
more
–
Will
Turn
the
World
into
an
Uncomfortable
Place
ist
eine
kuratierte
Intervention
innerhalb
der
permanenten
Ausstel-
lung
Wien
1900.
Aufbruch
in
die
Moderne.
Künstler
wie
Gustave
Courbet,
Emil
Jakob
Schindler,
Tina
Blau-Lang
oder
Marie
Egner
gingen
aus
den
Ateliers
hinaus
ins
Freie
und
fingen
die
Stimmungen
der
Natur
ein,
zuerst
naturalistisch,
dann
immer
freier,
im
Geiste
des
Impressionismus
und
wurden
so
zu
Vorreiter
der
Moderne.
Die
Künstler
der
Secession
waren
Teil
der
Avantgarde
ihrer
Zeit.
Gustav
Klimt
und
Kolo
Moser
suchten,
wie
viele
Menschen
um
die
Jahrhundertwende,
Erholung
in
der
Sommerfrische,
im
Wienerwald,
bei
den
Hausbergen
Wiens,
etwa
im
Raxgebiet
oder
am
Attersee.
Die
natürliche
Schönheit
der
österreichischen
Landschaft
war
für
sie
ein
willkommener
Kontrast
zum
hektischen
Treiben
der
Großstadt.
Richard
Gerstl
war
ein
Pionier
des
Expressionismus,
der
sich
nicht
an
Konventionen
hielt.
Ich
denke,
diesen
Künstler
hätte
unser
Experiment
gefallen,
denn
sie
waren
Neuem
gegenüber
aufgeschlossen.
Es
geht
ja
gerade
darum
zu
irritieren,
zu
zeigen,
was
ein
paar
Grade
mehr
ausmachen.
Natürlich
ist
es
für
Besucher
nicht
angenehm,
wenn
ein
Bild
schief
hängt
und
wir
würden
es
am
liebsten
sofort
geraderücken.
Die
Aktion
ist
ein
Appell
der
Schieflage
unserer
Umwelt
entgegen
zu
steuern,
ehe
es
zu
spät
ist.
Kulturinstitutionen
und
Museen
haben
die
Aufgabe,
sich
den
Themen
ihrer
Zeit
zu
stellen
und den Raum für Diskurs zu öffnen.
dMP:
Die
begleitenden
Texte
auf
afewdegreesmore
sind
inhaltlich
alles
andere
als
neu.
Sowohl
über
die
Auswirkungen
des
KW
als
auch
über
die
Gegenmaßnahmen.
Kann
der
Effekt,
diese
Meinungen
in
Kontext
mit
Kunstwerken
zu
setzen
überhaupt
neues
Publikum für die Problematik gewinnen?
Hans-Peter
Wipplinger:
Unsere
Kooperationspartner
vom
Climate
Change
Centre
Austria
haben
bestätigt,
dass
die
Aktion
ein
guter
Weg
ist,
um
aus
der
wissenschaftlichen
Blase
auszubrechen
und
völlig
neue
Zielgruppen
zu
erreichen.
Besucher
von
Kunstmuseen
werden
im
Leopold
Museum
an
ein
immens
wichtiges
Thema
herangeführt.
Die
Texte
für
die
15
Objekte
wurden
von
12
Wissenschaftlern
verfasst,
entsprechen
dem
aktuellen
Stand
der
Wissenschaft.
Sie
skizzieren
nicht
nur
die
Problematik
der
Klimaerwärmung,
sondern
geben
auch
Handlungsempfehlungen.
Sie
zeigen
auf,
welche
Möglichkeiten
es
gibt
um
die
drohenden
katastrophalen
Folgen
des
Klimawandels
zu
vermeiden.
Die
Problematik
ist
nicht
neu,
aber
leider
ist
noch
immer
viel
zu
wenig
geschehen
um
die
klimabedingte
Temperaturerwärmung zu verringern.
dMP:
Kommt
man
mit
der
Intervention
auch
einen
Schritt
näher,
jeden
Bereich
des
Lebens mit der Problematik zu besetzen?
Hans-Peter
Wipplinger:
Die
Klimakrise
betrifft
uns
alle
und
dringt
in
sämtliche
Bereiche
unseres
Lebens
ein.
Die
niedrigen
Wasserstände,
der
fehlende
Niederschlag,
die
extremen
Temperaturen
wirken
sich
auf
unsere
Lebensqualität
aus.
Natürlich
muss
es
auch
Oasen
geben,
in
denen
man
vom
Alltag
abgelenkt
wird,
aber
über
allfällige
hedonistische
Aspekte
von
Konzert-,
Theater-,
Kino-
oder
Museumsbesuchen
hinaus
ist
es
auch
Aufgabe
der
Kunst-
und Kulturmacher aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen.
dMP:
Was
könnte
oder
wird
das
Museum
entgegnen,
wenn
sich
Leute
darüber
beschweren,
Bilder
schief
gehängt
betrachten
zu
müssen?
Es
kommen
ja
auch
Touristen,
die
vielleicht
die
ganze
Bandbreite
des
Inhalts
nicht
erfassen
und
dann
beispielsweise
in
China berichten: In Österreich hängen die Bilder im Museum schief?
Hans-Peter
Wipplinger:
Bisher
hatten
wir
überwiegend
positive
Kommentare
zu
unserer
Intervention.
Wenn
unsere
Botschaft
international
wahrgenommen
wird,
ist
ein
wichtiges
Ziel
der
Aktion
erreicht.
Eine
Woche
lang
haben
wir
die
Werke
unkommentiert
gezeigt
und
auch
in
diesen
Tagen
überwog
die
Neugierde,
die
Verblüffung.
Man
verstand,
dass
dieser
Maßnahme
ein
konkretes
Konzept
zu
Grunde
liegt.
Wenn
die
durch
das
Schiefhängen
der
Bilder
entstehende
Irritation
die
Besucher
anregt,
über
die
Problematik
des
Klimawandels
zu diskutieren, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
dMP: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Die Gegenwart: Eisschollen am Attersee. Werden wir in Zukunft
auf Fotomaterial wie dieses zurückgreifen müssen, um solche
Eindrücke zu bekommen?
Foto: der MÜRZPANTHER
Und
so
sah
den
Attersee
vor
rund
120
Jahren
der
Künstler
Gustav
Klimt:
Attersee, 1900
© Leopold Museum, Wien
Gustave Courbet in Schräglage von lediglich 5° - mit großer auch optischer
Wirkung.
„A Few Degrees More". Kuratierte Intervention im Rahmen der Ausstellung
„Wien 1900. Aufbruch in die Moderne" im Leopold Museum
Claudia Michl, CCCA © Leopold Museum, Wien
Foto: Andreas Jakwerth