der muerzpanther
EINE FEINE AUSSTELLUNG, DIE VERSPRICHT, WAS SIE HÄLT! Wer   kennt   es   nicht   -   dieses   wunderbare   Gefühl,   wenn   die   Zeit   wie   im   Flug   vergeht?   Das bedeutet   in   den   meisten   Fällen,   dass   man   sich   intensiv   mit   irgendetwas   auseinander- gesetzt   hat,   Freude   dabei   empfindet   und   es   ist   beim   Sport,   beim   Hobby   oder   auch   hin   und wieder   in   der   Arbeit   erlebbar.   Ist   dieser   Zustand   „im   Flow“   zu   sein   aber   nur   von   uns Menschen  
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
 NACH OBEN NACH OBEN
Der     Untertitel     „Von     den     Anfängen     bis     heute“     erfüllt     sich     in     atemberaubender Geschwindigkeit   durch   die Ausstellungssäle.   Gerade   noch   im   16.   Jahrhundert   im   Betrachten der   Meister   um   Martin   Schongauer   verhaftet,   steht   man   bereits   zwei   Säle   weiter   vor   den Werken   des   19.   Jahrhunderts.   Wobei   sich   in   eben   dieser   Geschwindigkeit   auch   die   Themen der    Darstellungen    ändern.    Dominieren    in    der   Anfangszeit    des    Druckes    die    christlichen Motive,   finden   sich   später   kriegerische   Szenen,   vor   allem   dem   Phantasiegroßmeister   Goya geschuldet,   und   natürlich   auch   Dekoratives   der   Sezessionisten   in   Österreich.   Dabei   darf man   nicht   aus   den   Augen   verlieren,   dass   bereits   im   frühen   16.   Jahrhundert   diese   Drucke erstmals    für    ein    breites    Publikum    hergestellt    wurden    -    zunächst    für    Andachtsbilder. Aufgrund    der    Technik    konnten    Bilder    öffentlich    in    Umlauf    gebracht    werden,    da    sie reproduzierbar   und   keine   Unikate   waren.   Eine   Platte   kann   man   letztlich   öfters   abziehen. Die   massenhafte   Vervielfältigung   von   Bildern   wird   in   Mitteleuropa   aber   erst   durch   die   im späten   14.   Jahrhundert   einsetzende   Papierproduktion   möglich.   Mit   dem   Aufkommen   des Holzschnitts   im   frühen   15.   Jahrhundert,   des   Kupferstichs   vor   der   Jahrhundertmitte   und   der Radierung kurz vor 1500, entwickelt sich Druckgrafik zu einer eigenständigen Kunstgattung. Staunend   und   beeindruckt   ob   der   Wildheit   der   Darstellung   steht   man   vor   dem   Holzschnitt „Versuchung   des   heiligen Antonius“   an   dem   die   Teufel   ziehen   und   zerren.   Mit   all   möglichen Foltergeräten   versuchen   sie,   den   Heiligen   vom   Glauben   abzubringen.   Selbst   ein   Feuer   unter ihm   wird   entfacht.   Das   Thema   nahm   auch   Martin   Schongauer   auf,   der   116   Kupferstiche schuf,    die    wegen    ihrer    technischen    und    künstlerischen    Vollendung    als    bedeutendste druckgrafische Werke vor Albrecht Dürer gelten.
Die   Neuerung   der   Technik   war   das   Bearbeiten   der   unterschiedlichen   Platten   -   von   Holz   zu Metall.    Die    Druckverfahren    selbst    wurden    aus    anderen    kunsthandwerklichen    Techniken entwickelt.   So   wurde   das   Prinzip   des   Holzschnitts   bereits   im   Stoff-   oder   Stempeldruck angewandt.   Dabei   wird   eine   erhabene   Druckform   aus   dem   Druckstock   herausgearbeitet, eingefärbt    und    abgezogen.   Auch    hier    bietet    die   Albertina    in    Videos,    die    zwischen    die Grafiken     eingestreut     werden,     einen     übersichtlichen     Schnellsiedekurs     durch     die verschiedenen    Techniken.    Am    Anfang    stand    der    Holzschnitt,    die    ersten    Kupferstiche tauchten   in   den   1430er-Jahren   auf.   Bei   dieser   Technik   werden   die   zu   druckenden   Linien   in Kupferplatten   gegraben   und   eingefärbt.   Unter   hohem   Druck   wird   die   Farbe   auf   das   leicht angefeuchtete   Papier   übertragen.   Die   Grundlage   der Technik   geht   auf   die   Gravur   von   Silber- und   Goldarbeiten   zurück.   Im   frühen   19.   Jahrhundert   gaben   Radierung   und   Kupferstich   ihre Bedeutung   an   die   Lithografie   weiter,   die   den   Druck   hoher   Auflagen   ohne   Verschleiß   der Druckplatten und damit einhergehenden Qualitätsverlust ermöglichte. Die   Stiche   und   Radierungen   von   Dürer,   die   weltliche   und   religiöse   Themen   behandeln   -   vom Nashorn     zur    Apokalypse     -     wurden     bereits     Ende     des     15.     Jahrhunderts     zu     einem Verkaufsschlager!   Man   ist   ob   der   künstlerischen   Fertigkeit   vor   einem   seiner   Bilder   stehend, geneigt    auszurufen:    „Ritter,    Tod    und    Teufel!“    Und    trifft    den    Titel    damit    exakt.    Sein Geschäftsmodell   war   eine   in   Eigenregie   geführte   Werkstatt   für   10   luxuriöse   Auflagendrucke samt   straff   organisiertem   Vertriebsnetz.   So   erklärt   es   sich   auch,   dass   bis   zu   seinem Tod   über 100   Stiche   und   Radierungen,   nicht   weniger   als   260   Holzschnitte   und   dazu   noch   gut   20   mit Holzschnitten   illustrierte   Bücher   entstanden.   Es   ist   gut,   dass   die   Ausstellung   chronologisch verläuft,   da   die   Intensität   der   Betrachtung   von   komplexen   Inhalten   über   die   Landschafts- darstellungen   eines   Rembrandt   hin   zu   den   dekorativen   Umsetzungen   des   20.   Jahrhunderts abnimmt.    Mit    wenigen   Ausnahmen    wie    in    den    Szenen    des    Francisco    Goya.    Für    seine Dämonen,   abnorme   Darstellungen   der   menschlichen   Existenz,   Greueltaten   des   Krieges   oder das   Unheimliche   im   Menschen   scheint   die   Radierung   wie   geschaffen.   Feinheiten   und   Flächen ergänzen   sich   in   der   inhaltlichen   Aussage   zu   etwas   wahrlich   Bedrohlichem.   Man   geht   mit keinem   guten   Gefühl   aus   dieser   Kunstbetrachtung,   allerdings   in   die   Reflexion   über   die eigenen dunklen und verborgenen Bereiche des Bewusst/Seins.
Von   Henri   de Toulouse-Lautrec`s   Interpretationen   seiner   Bühne   des   Lebens   geht   es   rasant   zu der   Welt   des   Schönen,   dem   Farbholzschnitt   in   Wien   um   1900.   Zwischen   drin   noch   ein   paar Expressionisten.   Altbekannt.   Von   Frankreich   nach   Österreich,   von   Norwegen   nach   Deutsch- land   dreht   sich   der   Reigen   der   Druckgrafiken   immer   schneller,   bis   er   jeglichen   Boden verliert.   Das   geschieht   im   letzten   Saal   mit   Miró,   Pakosta   und   Schmutzer,   man   hat   das   Gefühl von    Wahllosigkeit    der    Präsentation    -    ankerlos    wählt    man    sich    die    Bilder.    Nur    bei    der Portugiesin   Paula   Rego   findet   man   noch   Halt,   die   Grafiken   mit   fantastisch-   traumatischen Szenen schließen letztlich doch den Kreis zum Anfang und den Versuchungen des Antonius. Ab   Ende   Februar   geht   es   dann   mit   Teil   2   der Ausstellung   in   der Albertina   Modern   weiter,   mit Künstlern   des   20.   Jahrhunderts,   die   mit   der Tradition   der   Druckgrafik   radikal   brechen   und   in den   1960er   Jahren   in   der   Technik   des   Siebdrucks   eine   neue   Monumentalität   finden.   Welche Traumata dort zu festigen sind, wird sich weisen …  
Ludwig Heinrich Jungnickel Drei blaue Aras , 1909 Farbholzschnitt in Schwarz, Dunkelblau, Hellblau und Gelb auf Japanpapier 33 x 32 cm ALBERTINA, Wien
Martin   Schongauer:   Der   heilige   Antonius   von   Dämonen   gepeinigt , Sammlung Staedelmuseum
Paula Rego Little Miss Muffet , 1989 Radierung, Aquatinta auf Velin Arches Papier 52,1 × 38 cm ALBERTINA, Wien