ALLES, WAS PROPELLER HAT FLIEGT…
Vor
annähernd
einem
Jahr
hat
der
größte
Waldbrand
der
österreichischen
Geschichte
in
Hirschwang
an
der
Rax
im
Bezirk
Neunkirchen,
Niederösterreich
-
unweit
dem
Ort
Neuberg
an
der
Mürz
in
der
Steiermark
-
115
Hektar
Wald
fast
völlig
zerstört.
Er
wütete
fast
zwei
Wochen
lang
in
sehr
steilem
und
schwer
begehbarem
Gelände,
weswegen
der
Löschangriff
großteils aus der Luft vorgenommen wurde.
Dazu
beigetragen
haben
auch
Löschflugzeuge
aus
Italien
und
der
Slowakei
sowie
zwei
Spezialhubschrauber
aus
Deutschland.
Wie
bedeutend
die
Brandbekämpfung
aus
der
Luft
zur
Unterstützung
ist,
hat
sich
gerade
bei
diesen
schwierigen
topografischen
Verhältnissen
gezeigt.
„Die
breite
Anwendbarkeit
von
Drohnen
vor
der
Haustüre,
beispielsweise
für
Feuerwehraufgaben
bei
Waldbränden
und
Sucheinsätze
im
unwegsamen
Gelände,
sind
auch
mit
Blick
in
die
Zukunft
für
uns
von
großer
Bedeutung
und
wir
freuen
uns,
dass
wir
als
Gemeinde
daran
teilhaben
dürfen“
,
sagt
Peter
Tautscher,
Bürgermeister
von
Neuberg
an
der Mürz.
Damit
diese
Einsätze
koordiniert
funktionieren
bedarf
es
auch
langer
Vorarbeit
und
Erprobung.
Am
Steinalpl
an
der
Grenze
zwischen
Nederösterreich
und
der
Steiermark
wurde
dafür
ein
Reallabor
und
Drohnentestgebiet
eingerichtet.
Nachdem
dieses
niht
weit
von
Neuberg
an
der
Mürz
entfernt
ist,
hat
der
MÜRZPANTHER
nachgefragt
und
ein
Interview
mit
Dr.-Ing.
Holger
Friehmelt,
dem
technisch-wissenschaftlicher
Direktor
der
AIRlabs
Austria
GmbH, dem Betreiber des Reallabors, geführt.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
AIRlabs versucht, Ängste und Vorbehalte dieser neuen Drohnentechnik zu nehmen.
dMP: Sind 100 qkm - wie am Steinalpl - ein großes Experimentierfeld?
Holger
Friehmelt:
Ja,
100
qkm
sind
ein
sehr
großes
Gebiet,
wobei
unbedingt
festzuhalten
ist,
dass
nicht
komplett
über
dieser
Grundfläche
geflogen
werden
kann
und
darf.
Am
Rand
des
Testgebietes
sind
verschiedene
Schutz-
und
Sicherheitszonen.
Diese
dienen
zum
Beispiel
dazu,
dass
immer
ein
notwendiger
Abstand
zwischen
bemannter
Luftfahrt
und
unseren
UAV
(Anm.:
Unmanned
Aircraft
System)
Experimenten
eingehalten
wird.
Auch
haben
wir
zusätzliche
Schutzbereiche
mit
Grundbesitzern
vereinbart,
um
das
Wild
(insbesondere
Gämsen und Winterfütterungsgebiete) nicht zu stören.
dMP:
Wie
schaut
die
Topografie
anderer
Flug-
und
Testbereiche
in
Österreich
aus
und
wo
liegen die „Vorteile“ diesbezüglich vom Steinalpl?
Holger
Friehmelt:
Die
Einzigartigkeit
des
Testgebiets
über
der
Steinalpl
zeichnet
sich
durch
ihre
Größe
und
vor
allem
ihre
Topografie
aus.
Andere
auch
internationale
Testgebiete
haben
keine
gut
zugänglichen
Start-
und
Landeplätze
zwischen
700
und
1300
Metern
über
dem
Meeresspiegel
zu
bieten
und
die
Möglichkeit,
auch
mehrere
Kilometer
in
größerer
Höhe
geradeaus
zu
fliegen.
Das
ist
sowohl
für
Tests
des
Antriebssystems
(Rotoren
funktionieren
bei
geringerer
Luftdichte
schlechter)
als
auch
zum
Erproben,
wie
Sensoren
und
Datenlinks
mit diesen Randbedingungen zurecht kommen.
dMP:
Was
kann
man
sich
unter:
„…
können
hier
sehr
gut
das
Gesamtsystem
einschließlich Sensorik und Datenlink, … beforscht werden“, vorstellen?
Holger
Friehmelt:
Es
geht
nicht
nur
um
sicher
und
umweltfreundlich
(leise,
wenn
möglich
elektrisch
oder
sogar
mit
einer
Wasserstoff-Brennstoffzelle
angetriebene)
unbemannte
Fluggeräte,
sondern
insbesondere
darum,
welche
gesellschaftlich
wertvolle
Aufgaben
und
Services
Drohen
in
Zukunft
übernehmen
können.
Es
ist
daher
wichtig,
solche
Aufgaben
von
der
Idee
und
Konzeptionierung
bis
zum
Endkunden,
also
demjenigen,
der
von
der
Drohne
und
deren
Fähigkeiten
profitiert
(egal
ob
Rettungskräfte,
in
der
Forstwirtschaft
beschäftige
oder
auch
die
Wissenschaft),
das
Gesamtsystem
vorzustellen.
Dies
sind
Aufgaben,
die
man
nicht
rein
theoretisch
am
Schreibtisch
oder
Computer
entwerfen
kann,
sondern
live
ausprobieren
und
optimieren
muss.
Ein
sehr
willkommener
Nebeneffekt
dabei
ist
auch,
dass
AIRlabs
dadurch
versucht,
auch
mögliche
Ängste
und
Vorbehalte
dieser
neuen
disruptiven
Drohnentechnik
zu
nehmen
und
möglichst
viele
nachhaltige
UAV
Anwendungen
zu
unterstützen.
Der Bürgermeister von Neuberg an der Mürz, Peter Tautscher, blickt in die
Zukunft für die Region Neuberg und sieht die regionale Anwendbarkeit der
Drohnen in der Assistenz von Feuerwehreinsätzen bei Waldbränden.
Foto: der MÜRZPANTHER
Schön und unwegsam. So stellt sich die Topografie im niederöster-
reichisch-steirischen Grenzgebiet zum Teil dar.
Foto: der MÜRZPANTHER
Das Gebiet Steinalpl eignet sich hervorragend für Feuerwehranwendungen von Drohnen.
dMP:
Welche
sind
die
größten
Wetterherausforderungen
für
eine
Drohne
und
warum
ist
hier das Steinalpl besonders zum Test geeignet?
Holger
Friehmelt:
Unbemannte
Fluggeräte
sind
aufgrund
ihrer
geringen
Masse
sehr
empfindlich
gegenüber
Wind
und
Böen.
Mit
einem
durchschnittlichen
Gewicht
in
niedrigen
zweistelligen
kg-Bereich
können
sie
schon
ordentlich
durcheinandergeschüttelt
werden,
sofern
sich
die
Drohne
nicht
selbst
einigermaßen
stabilisieren
kann.
Und
ein
unruhiger
Flug
hat
zur
Konsequenz,
dass
zum
Beispiel
Kamerabilder
zu
stark
verwackelt
werden.
Die
Topografie
der
Steinalpl
ist
hierfür
eine
perfekte
Testumgebung.
UAV
sind
auch
gegenüber
Schnee
und
Eis
sehr
empfindlich:
Maßnahmen,
wie
man
ein
Vereisen
verhindern
oder
zumindest
reduzieren
kann,
sind
weltweit
noch
Gegenstand
der
Forschung
und
Entwicklung.
Und
auch
die
Leistung
von
den
Akkus
an
Bord
der
UAV
leidet
unter
Kälte.
Deshalb
sind
auch
hier
Aspekte
wie
Wärmedämmung
oder
gar
eine
aktive
Heizung
der
Akkus
Forschung-
und
Entwicklungsthemen.
Die
Steinalpl
mit
ihren
winterlichen
Temperaturen
bietet
auch
bei
diesem
Aspekt
einen
großen
Vorteil.
Und
last
but
not
least
ist
die
Datenverbindung
zur
Drohne
und
zurück
zur
Bodenstation
ein
sehr
wichtiger
Aspekt.
Mit
der
ganz
unterschiedlichen
Verfügbarkeit
von
4G
und
5G
Mobilfunk
und
Gebieten,
wo
man
auf
Funktechnik
zurückgreifen
muss,
kann
in
der
Steinalpl
im
geschützten
Testluftraum
die
Robustheit und Verfügbarkeit solcher Datenlinks getestet und weiterentwickelt werden.
dMP:
Gilt
das
Flugverbot
unter
der
Woche
(ausgenommen
Drohnen)
schon
immer
oder
musste es für ihr Unterfangen speziell angesucht werden?
Holger
Friehmelt:
Das
Flugverbot
muss
jedes
Mal
für
Testkampagnen
aktiviert
werden.
Normalerweise
ist
der
Luftraum
frei
für
alle
Luftverkehrsteilnehmern
frei
nutzbar.
Nur
wenn
wir
die
Luftraumbeschränkung
per
NOTAM
(Anm.:
Notice
to
Air
Missions
sind
Anordnungen
und
Informationen,
die
für
einen
geordneten,
sicheren
und
flüssigen
Flugverkehr
wichtig
sind)
aktivieren
lassen,
dürfen
andere
Luftverkehrsteilnehmer
in
diesem
Gebiet
nicht
mehr
fliegen.
Dies
gilt
natürlich
nicht
für
die
Christophorus-Hubschrauber
und
die
der
Bundespolizei
sowie
andere
fliegende
Einsatzkräfte.
An
Wochenenden,
Feiertagen
und
einigen
anderen
Tagen
werden
grundsätzlich
keine
Tests
von
AIRlabs
und
ihren
Partnern
durchgeführt,
um
eine
„fair
use“
des
Luftraumes
über
der
Steinalpl
zum
Beispiel
für
die
Segelflieger sicherzustellen.
dMP: Welche Arten und Typen von Drohnen werden hier getestet werden?
Holger
Friehmelt:
Es
sollen
alle
Arten
von
zivilen
Drohnen
und
deren
Anwendungen
getestet
werden.
Dabei
liegt
der
Schwerpunkt
insbesondere
auf
Beobachtungsaufgaben
für
den
Umweltschutz,
die
Naturbeobachtung
und
zur
Unterstützung
der
Forst-
und
Landwirtschaft.
Darüber
hinaus
eignet
sich
das
Gebiet
Steinalpl
hervorragend
auch
für
Search&Rescue
und
Feuerwehranwendungen von Drohnen.
dMP:
Ich
gehe
davon
aus,
dass
die
Programme,
mit
denen
Drohnen
ausgerüstet
sind
je
nach
Bedarf
unterschiedlich
sind!
Entwickeln
sie
diese
bei
AIRlabs
Austria
GmbH
selbst?
Und könnten Sie einen kleinen Einblick in die Funktion anhand eines Beispiels geben?
Holger
Friehmelt:
Die
AIRlabs
Austria
als
BMK
Innovationslabor
entwickelt
keine
Drohnen
selbst;
hat
jedoch
einige
ganz
unterschiedliche
Drohnen
in
ihrem
Infrastrukturportfolio.
Diese
können
von
interessierten
Innovationsprojektpartnern
niederschwellig
gebucht
werden
und
zum
Beispiel
als
fliegende
Plattform
für
hochauflösende
Kameras
oder
andere
Sensoren
eingesetzt
werden.
Innerhalb
des
AIRlabs
Konsortiums
mit
seinen
25
Partner:innen
sind aber auch einige österreichische UAV Hersteller
dMP:
Ist
das
Projekt
zeitlich
auf
die
fünf
Jahre
der
Finanzierung
begrenzt?
Wenn
ja
–
mit Verlängerungsoption?
Holger
Friehmelt:
Der
Förderzeitraum
durch
das
Bundesministerium
für
Klimaschutz
ist
aktuell
fünf
Jahre.
Aber
bereits
bei
Antragstellung
hat
das
AIRlabs
Konsortium
einen
Plan
vorgelegt,
wie
das
Innovationslabor
auch
nach
dem
Förderzeitraum
als
nicht
gewinn-
orientiertes Labor weitergeführt werden kann.
dMP:
Gibt
es
bereits
Interessenten
–
wie
Rettungsorganisationen
–
die
Interesse
an
einer
Zusammenarbeit für Testflüge signalisiert haben?
Holger
Friehmelt:
Die
AIRlabs
ist
aktuell
schon
in
mehr
als
ein
halbes
Dutzend
Forschungs-
projekte
eingebunden.
Dazu
gehören
auch
erste
Projekte
mit
BOS
Organisationen
bzw.
der
Betrachtung
der
Interessen
von
Rettungsorganisationen.
Es
geht
nun
darum,
vielleicht
auch
das eine oder andere Projekt dazu ganz konkret in der Steinalpl dazu in die Luft zu bringen.
dMP:
Welche
Kosten
für
dieses
Projekt
entstehen
für
Sie
als
Unternehmen?
Sind
die
5
Mio Euro das Gesamtbudget?
Holger
Friehmelt:
Das
AIRlabs
Projekt
hat
ein
Gesamtvolumen
von
4
Millionen
Euro,
wovon
das
Bundesministerium
für
Klimaschutz
die
Hälfte
finanziert.
Die
andere
Hälfte
kommt
von
den
25
Konsortialpartnern
und
einer
nicht
unerheblichen
Unterstützung
durch
das
Land
Steiermark.
dMP: Haben Sie ganz konkrete Zielvorgaben?
Holger
Friehmelt:
Als
BMK
(Bundesministerium
für
Klimaschhutz)
Innovationslabor,
das
von
der
Österreichische
Forschungsförderungsgesellschaft
im
Rahmen
des
TAKE
OFF
Förder-
programms
begleitet
wird,
haben
wir
ganz
konkrete
Aufgaben
und
Ziele
in
unserem
Fördervertrag.
Dazu
haben
die
AIRlabs
folgende
Vision
postuliert:
Die
Vision
der
AIRlabs
Austria
GmbH
ist
der
Aufbau
und
Betrieb
eines
österreichweiten
Innovationslabors,
das
alle
Schlüssel-Stakeholder
bestehend
aus
Anwendern,
Industrieunternehmen
und
Forschungs-
einrichtungen
im
Konsortium
eint
und
damit
nachhaltig
die
aktuellen
und
zukünftig
absehbaren Anforderungen aus Forschung, Entwicklung und Validierung von UAS adressiert.
dMP:
Neuberg
an
der
Mürz
ist
ca.
8km
Luftlinie
entfernt!
Werden
wir
hier
Drohnen
fliegen
sehen
oder
sind
die
Drohnen
auf
diesen
Luftraum
programmiert,
so
dass
sie
ihn
nicht verlassen können?
Holger
Friehmelt:
Wir
gehen
nicht
davon
aus,
dass
direkt
von
Neuberg
aus
Drohnen
gesehen
werden
können.
Es
gibt
sehr
strenge
Sicherheitsregeln,
die
in
der
Regel
das
Überfliegen
von
Gebäuden
und
selbst
das
Annähern
an
Gebäudeansammlungen
verbieten.
Wir
gehen
jedoch
fest
davon
aus,
dass
unsere
Testmannschaften,
hoffentlich
sogar
internationale
Gäste,
das
ein
oder
andere
Mal
auf
Almhütten,
in
Wirtshäusern
und
Jausenstationen
als
Kundschaft
auftreten
und
die
Gastfreundschaft
im
Mürztal
und
den
benachbarten
Gemeinden
schätzen
werden.
dMP:
Ist
eine
lokale
Zusammenarbeit
mit
beispielsweise
den
Bürgermeistern
geplant
oder vonnöten?
Holger
Friehmelt:
Mit
den
nun
gegebenen
Möglichkeiten
im
Gebiet
Steinalpl
planen
wir
auch
lokale
bzw.
regionale
Zusammenarbeiten.
Dazu
gehören
neben
den
Bürgermeistern
bzw.
deren
Gemeinden
auch
lokale
Grundbesitzer.
Erste
Gespräche
haben
bereits
stattgefunden
und wir freuen uns auf die Ideen und Zusammenarbeitswünsche auch aus der Region.
dMP: Herzlichen Dank für das Interview!
Mit den gegebenen Möglichkeiten planen wir auch lokale bzw. regionale Zusammenarbeiten.
Es ist mit Sicherheit eines der Zukunftsthemen: der
Einsatz von Drohnen ist vielfältig. Von zivilen
Anwendungsmöglichkeiten angefangen bis zu
militärischem Einsatz.
Foto: Dji Agras, pixabay