DIE ERBSE DES WEISEN
Die
Erbse,
so
scheint
es,
hat
die
Geschichte
der
Menschheit
maßgeblich
mitbestimmt.
Im
ausgehenden
18.
Jahrhundert
und
frühen
19.
Jahrhundert
haben
sich
viele
Wissenschaftler
ihrer
angenommen.
Federführend
waren
damals
die
Briten:
Thomas
Andrew
Knight
führte
Kreuzungsversuche
durch,
kam
auf
die
selben
Resultate
wie
später
Gregor
Mendel,
hat
daraus
aber
keine
Regeln
abgeleitet.
Alexander
Setton
und
John
Goss
hielten
bereits
Anfang
des
19.
Jahrhunderts
Vorträge
über
Erbsenkreuzungen,
die
sie
selber
auch
durchgeführt
hatten. Ob Gregor Mendel über diese Vorarbeiten Kenntnis hatte, entzieht sich meiner.
Wären
die
Wissenschaften
Biologie
oder
Genetik
ohne
den
Erkenntnissen
des
Greor
Mendel
so
also
undenkbar?
Dazu
Magnus
Nordborg,
Scientific
Director
des
Gregor
Mendel
Institute,
Austrian
Academy
of
Sciences-
Vienna
BioCenter:
„Die
Genetik
ist
die
Grundlage
der
gesamten
modernen
Biologie,
so
dass
eine
Welt
ohne
Genetik
in
der
Tat
ganz
anders
aussehen
würde.
Doch
wie
bei
allen
wissenschaftlichen
Entdeckungen
wäre
jemand
anderes
darauf
gekommen
-
so
wie
es
drei
Personen
(Correns,
de
Vries,
von
Tschermak)
ein
halbes
Jahrhundert
später
unabhängig
voneinander
taten.
In
Anbetracht
der
Tatsache,
dass
Mendels
Entdeckungen
zu
diesem
Zeitpunkt
bereits
in
Vergessenheit
geraten
waren,
kann
man wohl sagen, dass sich nichts geändert hätte, wenn es Mendel nicht gegeben hätte.“
200
Jahre
nach
seinem
Geburtstag
wiederum
hat
man
den
„Begründer“
der
Genetik
unter
der
Leitung
von
Šárka
Pospíšilová
von
der
Universität
Brünn
exhumiert.
Das
Ziel
war
es,
so
viele
Fakten
wie
möglich
aus
seinem
genetischen
Code
zu
gewinnen,
um
Mendels
Biogra-
phie
zu
aktualisieren
und
ihm
dadurch
jenen
Platz
in
der
Wissenschaft
zukommen
zu
lassen,
die ihn auf eine Stufe mit Charles Darwin oder Albert Einstein stellt. Wie es ihm gebührt.
Der
MÜRZPANTHER
begibt
sich
ebenfalls
auf
die
Spurensuche
und
möchte
in
einem
Interview,
dass
er
mit
Frau
Professor
Eva
Stöger
vom
Departement
für
angewandte
Genetik
und
Zellbiologie
von
der
Universität
für
Bodenkultur
geführt
hat,
die
Bedeutung
der
wissenschaftlichen Errungenschaften von Gregor Mendel für die heutige Zeit aufzeigen.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
„Wir haben die Sohlen seiner Schuhe gemessen, die 27 Zentimeter lang waren
".
… und zählt die Aufspaltung dann genauso aus wie Gregor Mendel das getan hat.
Die
Resultate
seiner
Forschung
sind
heutzutage
im
Lehrplan
der
Schulen
integriert,
jedes
Kind
hat
von
Gregor
Mendel
bereits
gehört.
Eigentlich
Johann
Mendel
-
den
Namen
Gregor
bekam
er
erst
als
Ordensbruder
-
war
als
Knabe
klein,
breitschultrig
und
kräftig.
Bei
landwirtschaftlichen
Arbeiten
stellte
er
sich
zur
Freude
seines
Vaters
sehr
geschickt
an,
sollte
er
doch
den
elterlichen
Hof
übernehmen.
Schon
als
Kind
war
Johann
sehr
neugierig,
talentiert
und
ehrgeizig. Trotz
seiner
bescheidenen
Herkunft
war
sein
Wissensdurst
stark. Er
zeigte
großes
Interesse
an
der
Natur; er
wollte
neue
Dinge
lernen. Nach
Abschluss
der
Grundschule
(wo
seine
Lehrer
immer
wieder
sein
Talent
bemerkten)
bat
er
seine
Eltern,
ihn
weiter studieren zu lassen.
Die
Situation
im
Jahre
2021
auf
dem
Friedhof
war
nicht
das,
was
die
Forscher
-
unter
ihnen
Genetiker
-
erwartet
hatten.
"
Wir
waren
angenehm
überrascht,
weil
wir
ein
bisschen
besorgt
waren,
dass
wir
Mendel
nicht
finden
würden.
Aber
wir
entdeckten
sein
gesamtes
Skelett
in
einem
Sarg;
Er
hatte
sogar
Kleidung
und
Schuhe
an
".
Basierend
auf
dem
Studium
von
Mendels
Überresten
erhielten
die
Experten
um
Šárka
Pospíšilová
neue
Informationen
über
sein
Leben
und
körperliche
Attribute
wie
Größe,
Schuhgröße,
Gehirngröße
oder
die
Herkunft
seiner
Vorfahren.
"
Wir
glauben,
dass
Mendel
selbst
von
diesen
Ergebnissen
begeis-
tert
gewesen
wäre“
.
Obwohl
bei
der
Exhumierung
festgestellt
wurde,
dass
die
unteren
Gliedmaßen
und
das
Becken
in
einem
schlechten
Zustand
sind,
meinte
Eva
Drozdová
vom
Labor
für
biologische
und
molekulare
Anthropologie
der
Uni
Brünn
dazu:
„
Nichtsdestotrotz
können
wir
Mendels
Körpergröße
immer
noch
auf
168
Zentimeter
schätzen
und
feststellen,
wie
sein
Körperbau
war.
Zum
Beispiel
haben
wir
die
Sohlen
seiner
Schuhe
gemessen,
die
27
Zentimeter lang waren
".
Das
Bitten
des
Elfjährigen
hatte
im
Jahre
1833
Erfolg:
Johann
Mendel
verließ
sein
Dorf,
um
die
Piaristenschule
in
Lipník
nad
Bečvou
zu
besuchen. Seine
harte
Arbeit
öffnete
schließlich
die
Tür
zu
einem
weiteren
sechsjährigen
Studium
an
der
Sekundarschule
in
Opava
und
dann
zu
einem
zweijährigen
Programm
an
der
heutigen
Universität
in
Olomouc. Mit
21
Jahren
war
ihm
klar,
dass
jede
weitere
Ausbildung
von
seiner
finanziellen
und
sozialen
Absicherung
abhängen
würde. Wie
er
selbst
in
seinen
Memoiren
schrieb,
erfüllte
sich
diese
Sicherheit
mit
seinem
Eintritt
in
die
Abtei
Altbrünn. In
einem
Brief
aus
dem
Jahr
1853
an
seine
Eltern
notierte er: „Ich bin gesund, ich studiere fleißig; und wir werden sehen, was passiert“.
„Passiert“
sind
bahnbrechende
Erkenntnisse
der
Wissenschaft,
festgehalten
in
seinem
Hauptwerk,
einem
50
Seiten
starken
Büchlein
namens
Versuche
über
Pflanzen-Hybriden.
Die
Experimente
dazu
dauerten
zehn
Jahre,
er
analysierte
27
000
Pflanzen.
Obwohl
niemand
das
Prinzip
und
die
Bedeutung
seiner
Experimente
zur
Pflanzenkreuzung
wirklich
verstand
und
seine
Arbeit
weitgehend
ignoriert
wurde,
blieb
er
diesem
Thema
bis
zu
seinem
Tod
verbunden. Er
war
sich
sicher,
dass
die
Ergebnisse
seiner
Vererbungsexperimente
richtig
und
allgemeingültig
waren
und
schließlich
gewürdigt
werden.
Es
kommt
halt
doch
alles
irgendwann wieder ans Licht …
dMP: Wie kann man sich die Welt von heute ohne Gregor Mendel vorstellen?
Prof.
Eva
Stöger:
Wie
alle
bahnbrechenden
Entdeckungen
haben
die
Forschungsergebnisse
von
Gregor
Mendel
ganz
maßgeblich
den
wissenschaftlichen
Fortschritt
geprägt
und
be-
schleunigt.
Es
ist
besonders
schön
für
die
Pflanzenwissenschaften,
dass
so
eine
fundamen-
tale
Erkenntnis
gerade
aus
diesem
Bereich
zuerst
kam.
Die
Pflanzenzüchtung
selber
wurde
ja
schon
davor
sehr,
sehr
lange
angewandt,
aber
das
mechanistische
Verständnis
der
Hinter-
gründe hat die Möglichkeiten auf eine ganz neue Ebene gehoben.
dMP:
Wird
diese
für
heutige
Verhältnisse
sehr
„einfache“
genetische
Erkenntnis
noch
immer angewendet?
Prof.
Eva
Stöger:
Wir
haben
gerade
in
der
funktionellen
Genetik
und
in
der
Biotechnologie
oft
die
Situation,
dass
ein
bestimmtes
Gen
ausgeschaltet
oder
zusätzlich
in
eine
Pflanze
ein-
gefügt
wird,
und
da
schaut
man
sich
die
Nachkommen
dann
ganz
im
Sinn
der
Mendelschen
Regeln an und zählt die Aufspaltung dann genauso aus wie Gregor Mendel das getan hat.
Šárka Pospíšilová
Foto: Martin Indruch
Fotocredit: Masaryk Universität, Brünn
dMP:
Gibt
es
in
der
heutigen
Forschung
ähnlich
bahnbrechende
Erkenntnisse,
die
das
Potential haben, die Wissenschaft maßgeblich zu verändern?
Prof.
Eva
Stöger:
Natürlich
gibt
es
immer
wieder
bahnbrechende
Erkenntnisse,
die
neue
Möglichkeiten
eröffnen.
Im
Bereich
der
Biotechnologie
haben
wir
zum
Beispiel
in
den
letzten
beiden
Jahren
die
Entwicklung
einer
neuen
Impfstofftechnologie
auf
RNA-Basis
miterlebt,
und
ich
denke,
dass
sich
daraus
noch
viele
weitere
medizinische
Durchbrüche
ergeben werden.
dMP:
Mendel
hatte
eine
Idee,
eine
Vision,
die
er
dann
versuchte
zu
beweisen.
Braucht
es heute in der Forschung wieder mehr Ideen – oder sind genug vorhanden?
Prof.
Eva
Stöger:
Eine
Sache
ist
die
Idee,
eine
andere
ist
die
Möglichkeit,
ihr
-
auch
über
einen
längeren
Zeitraum
-
nachgehen
zu
können.
Gregor
Mendel
brauchte
mehr
als
zehn
Jahre
für
die
Entwicklung
und
experimentelle
Verfeinerung
seiner
Idee.
Vielfach
bewegt
sich
Forschung
heute
in
einem
3-4
Jahresrhythmus,
denn
das
ist
üblicherweise
die
Laufzeit
eines
Projektes,
manchmal
auch
die
Laufzeit
des
eigenen
Vertrags.
Deshalb
muss
in
diesem
Zeithorizont
geplant
werden,
was
nicht
immer
ausreicht,
um
sich
an
etwas
komplett
Neues
heranzuwagen und das auch überzeugend umzusetzen.
dMP:
Mendel
hatte
auch
für
die
damalige
Zeit
fast
keine
technischen
Hilfsmittel
und
hat
trotz allem im Rückblick Bahnbrechendes vollbracht. Wie viel Technik braucht es heute?
Prof.
Eva
Stöger:
Das
kommt
stark
auf
den
Bereich
an.
Doch
ist
es
überraschend
oft
so,
dass
die
faszinierendsten
Ideen
und
Konzepte
eher
einfach
sind
(der
Weg
dahin
nicht
unbedingt).
Und umgekehrt ist jedenfalls viel Technik kein Garant für wichtige Erkenntnisse.
dMP: Herzlichen Dank für das Interview!
Es ist oft so, dass die faszinierendsten Ideen und Konzepte eher einfach sind.
So sieht sie also aus, die Erbsenblüte.
Aus ihnen und den Früchten konnte
die moderne Genetik entwickelt
werden. Von Johann Gregor Mendel.
Bild: pixabay
Das Gregor Mendel Haus der Boku in
Wien
Foto: Christoph Gruber
Fotocredit: Boku Wien