der muerzpanther
PAUL KASSECKER       …   war   ein   Kärntner   aus   Villach,   der   in   der   Steiermark   seine   künstlerische   Heimat   gefunden   hat.   Der   Künstler war   ein   Universalist,   davon   zeugen   die   Schaustücke   der Ausstellung   zu   seinem   120.   Geburtstag   in   der   Propstei    in Aflenz.   Malerei,   Bildhauerei,   Grafiken,   Drucke.   Karikaturen,   Wandmalereien,   Naturdarstellungen   mit   dem   zen- tralen Thema Hochschwab, Blumenmalerei, Portraits, Werbegrafiken und abstrakte und surrealistische Malerei. Der   Titel   dieser   bedeutenden Ausstellung   LEBENSBILD   des   KÜNSTLERS   wird   dem   Gezeigten   mehr   als   gerecht.   Das reiche   Schaffen   des   akademischen   Bildhauers   und   Malers   überzeugt   durch   die   Fülle   an   Schaustücken   in   einem herausragenden   Umfang.   Dabei   zeigt   sich,   dass   die   Bedeutung   des   Künstlers   durch   die   Qualität   seiner   Werke   das Regionale   weit   übersteigt   auch   wenn   die   Themen,   die   Kassecker   aufnimmt,   sehr   von   seiner   Verbundenheit   zu seiner   Heimat   Aflenz   zeugen.   Diesbezüglich   ist   der   Künstler   einem   weiteren   Kreis   am   ehesten   durch   die   beein- druckenden   Werbegrafiken   mit   den   atemberaubenden   Stimmungen   der   steirischen   Berglandschaften   aus   den Fünfziger Jahren bekannt, als er Obmann im Kurausschuss in Aflenz war. Das   Lebensbild   von   Paul   Kassecker   kann   von   den   frühesten   Jahren   an   gezeichnet   werden.   Friedrich   Holzer, Organisator   und   Initiator   der   Ausstellung   weiß   zu   berichten:   Paul   ist   in   der   Steiermark   aufgewachsen,   ist   in Bruck   an   der   Mur   in`s   Gymnasium   gegangen   und   nach   seinen   Worten   war   er   dort   der   Schlechteste.   Dann   hat   er in   die   Kunstgewerbeschule   nach   Graz   gewechselt,   wo   er   nach   seinen   Worten   der   Beste   war.   Von   dort   ist   er   in die Akademie der Bildenden Künste in Wien gegangen.“ Der   MÜRZPANTHER   hat   die Ausstellung,   die   bis   30.   Juli   verlängert    worden   ist,   besucht   und   mit   Friedrich   Holzer gesprochen. Zur Ausstellungsinfo.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
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Gegliedert   ist   die Ausstellung   in   thematische   und   kunsttechnische   Bereiche.   Der   räumliche   Rahmen   der   Propstei, der   die   Fülle   an   Werken   unterstreicht,   die   hier   zu   sehen   ist,   macht   die   Ausstellung   zu   etwas   Besonderem.   Die sehr   dichte   Hängung   -   teils   dreireihig   übereinander   -   vermittelt   die   Atmosphäre   des   Künstlerateliers   und   bringt den   Besucher   in   ein   greifbares   Naheverhältnis   zum   Künstler   und   dessen   Werke.   Schon   der   Stiegenaufgang   zu   den Räumlichkeiten   wartet   thematisch   mit   den   Wandmalereien   auf.   Bei   diesen   handelt   es   sich   meist   um   öffentliche Aufträge, die heute noch das Stadtbild von Aflenz prägen. Und damit stürzen wir uns in die Ausstellung … Friedrich   Holzer   meint   zur   Zusammenstellung   der   Werke:   Die   meisten   Kunstwerke   sind   in   in   öffentlicher   Hand auf    verschiedenen    Gebäuden    -    als    Wandgemälde    auf    Spitälern,    Pflegestationen    und    Rathäusern    oder    in Privatbesitz.   Diese   Ausstellung   lebt   davon,   dass   wir   sehr   viele   private   Leihgaben   bekommen   haben,   weil   ich auch   keine   Museen   kenne,   die   Kunstwerke   von   Paul   Kassecker   haben.   Einer   der   ersten   Schritte   bei   der   Planung war   es,   die   Besitzer   zu   kontaktieren   und   alle   haben   zugesagt   und   waren   begeistert,   Kassecker   wieder   in   den Mittelpunkt   zu   stellen   -   voriges   Jahr   in   Pichl   und   heuer   in   Aflenz.   Die   Ausstellung   zeigt   den   Menschen   und Lebenskünstler   und   auch   seine   Interessen   neben   der   Kunst   als   Ski-   und   Bergführer.   Er   selbst   hat   auch   als Skilehrer in Aflenz und Seewiesen eine Skischule geführt.“    
Einzelne   herausragende   Werke   müssen   den   Vergleich   in   der   Kunstgeschichte   mit   Walde   oder   Egger-Lienz   nicht scheuen:   in   seiner   Formsprache,   Farbgebung   und   Dynamik.   Neben   den   stilistischen   Parallelen   gibt   es   auch   die thematischen    mit    beeindruckenden    Darstellungen    des    Künstlers:    verschneite   Almhütten    und    Waldarbeiter. Mensch   und   Natur,   Natur   und   Mensch   -   motivisch   wiederkehrend.   Besonders   herausstreichen   möchte   ich   auch   die Darstellungen   der   Fauna   und   Flora,   liebevoll   auf   kleinen   Formaten   aquarelliert,   die   die   Naturverbundenheit   zum Ausdruck    bringen:    Schneerosen,    Frauenschuh,    Feuerlilien;   Trauermantel,    auch    Fliegen    und    ein    Schwalben- schwanz. Eine   umfangreiche   Fotopräsentation   ermöglicht   dem   Besucher   diese   Verbundenheit   des   Künstlers   nachzuempfin- den,   mit   einem   liebevollen   Detail   im   selben   Raum:   Neben   der   persönlichen   Farbmischpalette   für   die   Ölfarben ertönt   in   unregelmäßigen   Abständen   die   originale   Pendeluhr   seines   Ateliers.   Diese   sorgsame   Gestaltung   der Ausstellung   macht   sie   zu   einem   Erlebnis,   denn   sie   zeigt   und   unterstreicht   die   Gesamtheit   des   künstlerischen Lebens   und   Schaffens   und   ermöglicht   es,   in   die   Welt   des   Paul   Kassecker   einzutauchen.   Das   ist   auch   eine   Seite, die   Friedrich   Holzer   zu   zeigen   am   Herzen   liegt:    „Er   war   ein   sehr   humorvoller   Mensch,   hat   eine   enorme Beobachtungsgabe   gehabt,   ein   großes   Einfühlungsvermögen   in   seiner   Beobachtung   von   Mensch   und   Natur   und war   in   der   Umsetzung   seiner   Kunstwerke   ziemlich   penibel.   Das   sieht   man   in   den   Skulpturen   und   Bildern,   die   er wiederholt   behandelt   hat   und   immer   im Ausdruck   seiner   Stimmung   unterworfen   und   dadurch   nie   gleich   waren. Vom   Wesen   her   war   er   ein   sehr   bewusster   Mensch   und   durch   und   durch   humorvoll,   obwohl   er   auch   die Kriegszeit miterlebt hat.“
Die   Kruzifixe,   in   verschiedenen   Größen   zu   Lebzeiten   ausgeführt,   unterstreichen   die   Vielfältigkeit   seiner   Schaf- fensperiode.   Diese   sind   stilistisch   klassisch   angelegt,   andere   Skulpturen   zeigen   gegensätzlich   dazu   moderne   und neue Ansätze   in   der   Bildhauerei.   Viele Themen   nimmt   er   wiederholt   auf:   Krippenszenen   mit   Ochs   und   Esel,   Maria mit   dem   Jesuskind   als   Skulpturen,   die   heilige   Familie   im   Naturkontext   der   Hochschwabgegend   mitten   im   Wald, die   Darstellung   des   jugendlichen   Buddhas   -   Siddharta   -   und   wirklich   beeindruckend   erscheint   die   Skulptur   des blinden   Sehers   Teiresias   gleich   zu   Beginn   der Ausstellung.   Dieser   hat   der   Mythologie   zufolge   die   Geheimnisse   der unsterblichen   Götter   besessen   und   sie   den   Menschen   verraten.   Zufriedenheit?   Genügsamkeit?   Bescheidenheit? Charaktereigenschaften   des   Künstlers   selbst?   Teiresias   ist   für   den   Verrat   an   den   Göttern   zur   Strafe   geblendet worden.   In`s Auge   stechen   bei   dieser   Skulptur   neben   der   Größe   -   übermenschen   groß   -   die   Hände. Auf   die   Studie der   Handhaltung   und   weitere   anatomischen   Skizzen   trifft   man   ein   paar   Räume   weiter,   die   auch   die   Genauigkeit und Beobachtungsgabe des Künstlers widerspiegeln. Verwunderlich ist es nicht, sind es doch seine eigenen … Friedrich   Holzer   weiß   auch   dazu   einiges   zu   erzählen:   „Die   Skulptur   lag   ihm   sehr   am   Herzen.   Der   Vater   war Fahrdienstleiter   bei   der   ÖBB   und   wurde   aus   Villach   nach   Kapfenberg   versetzt.   Der   Sohn   Paul,   bereits   in   Wien, hat   Holz   zum   Heizen   gebraucht   und   der   Vater   hat   ihm   eine   große   Linde   im   Zug   nach   Wien   geschickt   -   zurück gekommen ist die Skulptur.“
Die Fotografie zeigt Paul Kassecker bei seiner großen Leidenschaft - dem Skifahren. Als Skischulbesitzer war es ihm auch ein Anliegen, sein Können anderen zu vermitteln. Foto: Privatbesitz
Blick auf Seewiesen - im Hintergrund der Hochschwab. Der Berg ist ein zentrales Thema des Künstlers, vielfach aber nie gleich dargestellt. Bild: Privatbesitz
Der   Universalist   Kassecker   hatte   zwei Ateliers.   Eines   auf   der   Bürgeralm,   das   er   selbst   geplant   und   umgesetzt   hat –   ungewöhnlich   mit   Pultdach.   Für   dieses   Atelier   hat   er   auch   eigens   die   Möbel   geplant   und   er   hat   sich   dorthin gerne   zurückgezogen,   um   in   der   Natur   für   sich   und   das   Archiv   zu   arbeiten.   Von   dort   hatte   er   einen   herrlichen Blick   auf Aflenz.   Das   zweite Atelier   befindet   sich   auch   heute   noch   in   der   Schulgasse   in Aflenz   -   nicht   unweit   der Volksschule.   „Wenn   die   Kinder   von   der   Volksschule   wieder   nach   Hause   gegangen   und   bei   ihm   vorbei   gekommen sind,   hat   er   sie   zum   Zeichnen   reingewunken   –   manche   sind   auch   nur   hinein   schauen   gegangen.   Diesbezüglich habe   ich   auch   von   vielen   Besuchern   Rückmeldungen   bekommen   und   für   sie   war   es   immer   eine   Gaude!   Einfach entspannt.“ dMP: Haben Sie mit ihm auch über Kunst gesprochen? Friedrich   Holzer:   Nein,   darüber   hat   er   gar   nicht   so   viel   geredet,   weil   er   über   seine   Werke   gar   keine   großen Worte    verloren    hat.    Er    war    eher    ein    „Macher“,    der    umgesetzt    hat.    Ich    habe    ihn    erst    im    reifen   Alter kennengelernt,   er   war   ein   phantastischer   Gesprächspartner   und   im   Alter   noch   sehr   humorvoll   …   und   er   war trotz aller Talente, die er besessen hat, ein sehr, sehr einfacher Mensch.“   Derartig   umfassend   wird   das   Leben   und   Werk   von   Paul   Kassecker   wohl   lange   nicht   mehr   in   dieser   Form   zu   sehen sein.    Wer    ein    Interesse    an    der    unglaublichen    Vielfalt    des    Schaffens    oder    seiner    Person    hat,    sollte    diese Ausstellung keinesfalls verpassen. Noch bis 30. Juli in der Propstei in Aflenz.
Die christlich-religiösen Motive finden sich auch in allen technischen Ausführungen: Skulpturen, Zeichnungen und Gemälde. Die zwei Mariendarstellungen befinden sich in Privatbesitz. Foto: der MÜRZPANTHER
Paul Kassecker in seinem Aflenzer Atelier. Im linken Bild im Hintergrund sehen Sie seine Interpretation des blinden Sehers Teiresias. Fotos: Privatbesitz
Das   Lebenswerk   des   Künstlers   erhält   in   diesem   Gedenkjahr   noch   eine   besondere   Würdigung:   Die   von   Klaus   Gaar geschaffene   Kassecker   Büste,   die   ebenfalls   in   der   Ausstellung   zu   sehen   ist,   wird   demnächst   am   „Kassecker- Platzl“   in   der   Ortsmitte   von   Aflenz   enthüllt.   Dazu   erfahren   Sie   auch   mehr   im   Gespräch   mit   dem   Schöpfer   der Büste …
Klaus   Gaar:   Für   die   Büste   habe   ich   Bilder   und   Portraits   von   Kassecker   zur   Vorlage   gehabt,   wo   er   meistens   mit der   Pfeife   abgebildet   ist.   Oft   schaut   er   auch   in   eine   spezielle   Richtung   –   als   Inspiration   für   seine   Bilder.   Diesen Eindruck   wollte   ich   mit   der   Kopfrotation   wiedergeben   und   man   kann   nicht   mit   Bestimmtheit   sagen,   ob   er   lacht oder nicht. Wie die Mona Lisa … Für   die   Plastizität   hilft   bei   einer   Skulptur   das   Lichtspiel   in   den   Augen,   um   den   Mund   und   den   Bart.   Für   mich war   es   wichtig   die   Position   so   darzustellen,   dass   er   charakterisiert   wird:   die   Pfeife   im   Mund   und   die   Pinsel   in der Hand. dMP:   Die   Büste   ist   sehr   detailliert   und   sorgsam   ausgeführt:   der   Bart,   die   Falten   auf   der   Stirn   …   in   welchem Alter ist Kassecker? Klaus   Gaar:   Um   die   Vierzig.   Ich   hatte   als   Referenz   nicht   allzu   viel   Material,   weil   die   Fotos   qualitativ   nicht   sehr detailgetreu   sind. Authentisch   sollte   die   Skulptur   auf   jeden   Fall   werden,   die   Jacke   mit   der   Kapuze   die   er   trägt, hat   man   früher   zum   Skifahren   verwendet.   Der   Hut   war   natürlich   auch   sehr   wichtig   –   in   seiner   Form   und Materialität. Natürlich gehört auch das Edelweiß dazu!   dMP: Welches Material hast du verwendet? Klaus   Gaar:   Zunächst   wird   mit   einem   professionellen   Plastilin   modelliert   und   die   Details   hineingearbeitet. Danach   wird   es   mit   Silikon   in   mehreren   Schichten   eingestrichen,   um   es   kopieren   zu   können   und   definiert   zum Auseinandernehmen   die   Schnittstellen.   Dann   wird   das   Silikon   auseinandergeschnitten   und   eine   Hartschale   aus Fieberglas    darübergelegt.    Der    englische    Fachausdruck    dafür    ist    mother    mold.    Gegossen    wird    mit    einer Kaltgussbronze,   das   ist   Kunstharz   mit   echtem   Bronzepulver   –   die   Oberfläche   kann   dann   mit   Stahlwolle   und Patina   bearbeitet   werden,   damit   das   Metall   herauskommt.   Das   ist   natürlich   witterungsbeständig.   Die   Teile werden   aneinandergefügt   und   aufgefüllt   und   mit   einem   Gestänge   zur   Befestigung   versehen.   Der   Vorteil   an dieser Technik ist, dass ich alles selbst machen kann … dMP: herzlichen Dank!
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Der Hut war natürlich auch sehr wichtig …
Dem Schöpfer der Büste, Klaus Gaar war es wichtig authentisch zu arbeiten und die Attribute, die man mit Paul Kassecker in Zusammenhang bringt, darzustellen. Dazu gehört vor allem auch das Lächeln. Foto: der MÜRZPANTHER