der muerzpanther
EINE KATZE HAT NICHT SIEBEN LEBEN! Im   Schnitt   kommt   jeden   vierten   Tag   eine   Katze   auf   die   Notambulanz   der   Universitätsklinik   für   Kleintiere   der Veterinärmedizinischen   Universität   in   Wien   -   wegen   eines   Sturzes   aus   dem   Fenster.   Dabei   sagt   die   Rechtslage durchaus   deutlich:   Werden   Tiere   in   Räumen   gehalten,   bei   denen   die   Gefahr   eines   Fenstersturzes   besteht,   so sind   die   Fenster   oder   Balkone   mit   geeigneten   Schutzvorrichtungen   zu   versehen.    Warum   also   so   viele   Katzen   aus dem Fenster fallen, ist nicht ganz nachzuvollziehen. Klar   nachzuvollziehen   ist   hingegen,   welche   Verletzungen   die   Tiere   durch   eine   Sturz   davontragen   -   und   diese   sind oft   sehr   schwer.   Das   Beispiel   des   Main-Coon-Katers   Carlos,   der   sich   im   Trubel   einer   Wohnungsübersiedlung   auf den   Balkon   schlich,   ist   leider   kein   Einzelfall.   Ein   geöffnetes   Fenster,   eine   angelehnte   Terrassentür   oder   eine offen   stehende   Wohnungstür   reichen   aus   und   die   Samtpfoten   begeben   sich   auf   Erkundungstour,   beobachten Vögel   oder   versuchen   Insekten   zu   erhaschen.   So   ein   Balanceakt   in   schwindelnder   Höhe   kann   in   mehrstöckigen Gebäuden   schnell   zum   Verhängnis   werden.   Stürzt   ein   Tier   ab,   nimmt   mit   der   Fallhöhe   die   Fallgeschwindigkeit zu.   Je   nach   Gewicht   der   Katze   und   ab   einer   Fallhöhe   von   30   Metern   –   das   entspricht   etwa   sechs   bis   sieben Stockwerken   –   erreichen   Katzen   eine   Geschwindigkeit   und   ein    Maximum   von   bis   zu   100   km/h .   Dadurch   wirken beim Aufprall große Kräfte auf die Tiere. Auch die Härte des Bodens hat Einfluss auf die Schwere der Verletzung. Carlos   stürzte   von   der   Terrasse   eines   mehrstöckigen   Hauses.   Seine   Besitzerin   wurde   durch   das   Geräusch   des stürzenden   Katers   alarmiert.   Sie   brachte   ihn   umgehend   in   die   Uniklinik.   Carlos   ist   ein   Fallbeispiel   aus   Wien,   aber auch   in   der   Steiermark   haben   von   100   Haushalten   28   eine   oder   mehrere   Katzen.   Reichlich   Gründe   also,   sich diesem wichtigen Thema zu widmen.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
 NACH OBEN NACH OBEN
Der   erste   Gedanke,   der   sich   bei   einem   Sturz   einer   Katze   einstellt   ist   wahrscheinlich   der,   dass   sie   sich   im   Flug dreht   und   ohnedies   auf   allen   vieren   aufkommt.   Ja,   Katzen   machen   im   freien   Fall   eine   sogenannte   gyroskopische Drehung .    Ihr   sensibles   Gleichgewichtsorgan   bewirkt,   dass   alle   vier   Pfoten   schnell   nach   unten   zeigen,   unabhängig von   der   Ausrichtung   zu   Beginn   des   Falls.   Erst   dreht   sich   der   Vorderkörper,   danach   der   Hinterleib.   Gleichzeitig steuert   der   Schwanz   gegen   und   stabilisiert   die   richtige   Position.   Die Aufprallkraft   wird   im Anschluss   auf   alle   vier Gliedmaßen verteilt. Dies wird als Stellreflex  bezeichnet. Insbesondere    in    der    Stadt    endet    der    Sturz    meist    auf    hartem    Boden    und    die    Tiere    ziehen    sich    schwere Verletzungen   zu.   High-Rise-Syndrom    nennen   Tiermediziner   die   Folgen   eines   solchen   Sturzes.   Carlos   hatte   eine Risswunde   der   Zunge ,   blutete   aus   der   Maulhöhle,   der   Kiefer   schloss   nicht   richtig.   Am   rechten   Unterschenkel war   eine   kleine   Hautzusammenhangstrennung,   mit   einem   begleitenden   Hämatom,   einer   Weichteilschwellung und   eine   Instabilität   des   Knochens   feststellbar   –   Verdacht   auf   Tibiafraktur,   Schienbeinbruch ,   schlussfolgerte   das behandelnde   Team   rund   um   Ass.Prof.Dr.med.vet.   Britta   Vidoni,   Fachtierärztin   für   Kleintierchirurgie.   (Anm.: Sobald   eine   Hautzusammenhangstrennung   in   der   Nähe   eines   Knochenbruches   vorliegt,   spricht   man   von   einer offenen Fraktur. ) „Carlos   hatte   Glück   im   Unglück “,   erklärt   Vidoni,   während   sie   auf   das   Röntgenbild   deutet.   Denn:   „Schwere   Ver- letzungen   der   Brusthöhle   konnten   ausgeschlossen   werden. “   Schließlich   zeigten   die   Röntgenbilder   der   Hinter- beine   einen   komplizierten   Bruch   des   rechten   Unterschenkels,   zudem   eine   Fraktur   im   Bereich   des   Unterkiefers. Als   der   Kater   stabil   genug   für   eine   Narkose   war,   fixierte   das   Team   um   Britta   Vidoni   bei   einem   zweieinhalb- stündigen   chirurgischen   Eingriff   die   Knochen   durch   eine   Platte   und   einen   intramedullären   Pin,   einer   Nagelung, die nicht direkt in die Fraktur gesetzt wird.
Die gyroskopische Drehung: sie läuft in vier Phasen ab und ermöglicht es der Katze auf allen vieren zu landen. Dieser Effekt beschreibt eine Drehung zur Stabilisierung eines kreiselnden Körpers. Illustration: Matthias Moser/Vetmeduni
Von links nach rechts: Die Röntgenbilder vor der Operation, nach der Op und ca. ein Jahr später zum Kontrolltermin. Röntgenaufnahmen:   Klinische   Abt.   für   Bildgebende   Diagnostik/ Vetmeduni Wien
Leider   gehen   die   Verletzungen   bei   Stürzen   nicht   immer   so   harmlos   aus,   wie   bei   Carlos   und   meistens   bedarf   es einer sehr langwierigen Behandlung und Nachbehandlung. Bei   bis   zu   90   %   Verletzung   im   Brustkorb :   z.   B.   Pneumothorax   durch   Verletzungen   der   Lunge   mit   Austritt   von Luft in den Brustkorb, Lungenquetschungen, Lungenblutungen, Rippenbrüche Bei bis zu 66 % Verletzungen im Gesichtsbereich  inkl. Kiefer- und Zahnfrakturen Bei etwa 50 % Knochenbrüche im Bereich der Extremitäten und des Beckens Bei   Frakturen   des   Beckens   kann   es   zu   zusätzlichen   Verletzungen   von   Organen,   Blutgefäßen   und   Nerven   im Beckenbereich   kommen:   Z.   B.   Platzen   der   Harnblase,   Verletzungen   des   Dickdarms,   auch   ein   hoher   Blutverlust durch   Verletzungen   großer   Blutgefäße,   Verletzungen   von   Nerven,   die   für   die   Funktion   der   Hinterbeine   und   des aktiven Harn- und Kotabsatzes unerlässlich sind. Warum?   -   fragen   Sie   sich   wahrscheinlich   jetzt   bereits   zu   Recht,   sollten   Sie   diesen   Artikel   nach   all   diesen entsetzlichen   Berichten   noch   weiter   lesen?   Weil   es   für   die   Gesundheit   und   das   Leben   Ihrer   Katze   wichtig   ist, dass   die   Fenster   und   Türen   in   Ihrer   Wohnung   fachgerecht   gesichert   sind.   Eine   der   häufigsten   Verletzungs- ursachen   bis   hin   zum   Erstickungstod   sind   gekippte   Fenster.   Katzen   können   beim   Versuch   durchzuklettern, steckenbleiben   und   rutschen   dann   beim   Befreiungsversuch   in   den   schmäler   werdenden   Fensterspalt   ab,   mit Folgen:   Einklemmungen   zwischen   der   letzten   Rippe   und   dem   Becken;   Einklemmen   einzelner   Hintergliedmaßen, die   zu   Lähmungen   an   den   betroffenen   Hinterbeinen   führen,   ausgelöst   durch   Minderdurchblutung   auf   Grund von   Quetschung   großer   Gefäße   und/oder   direkte   Schädigung   der   Nerven .   Bedenken   Sie   bitte   auch,   dass Fliegengitter keinen sicheren Schutz vor Absturz bieten. Dafür eignet sich ein Volierendraht oder ein Katzennetz. Das   Wohlergehen   der   Haustiere   liegt   sicherlich   jedem   Tierhalter   am   Herzen,   doch   können   Unachtsamkeit   und Versehen   zu   tragischen   Folgen   führen,   Absehbares   kann   jedoch   durch   Vorsichtsmaßnahmen   verhindert   werden. Nicht jeder muss selbst erfahren, dass Katzen doch nicht sieben Leben haben …