REALISTISCH = LEBENSNAH, EINE GLEICHUNG MIT KEINER UNBEKANNTEN
Wenn
der
Steirer
aus
dem
Mürztal
in
Richtung
Wien
fährt,
kann
er
das
mit
dem
Auto
tun.
Oder
mit
der
Bahn.
Dann
erreicht
er
sein
Ziel
an
der
Grenze
zwischen
dem
zehnten
und
dem
vierten
Bezirk
am
Hauptbahnhof.
Diesen
teilt
er
sich
an
frequentierten
Tagen
mit
vielen,
vielen
Touristen,
die
aus
fern
und
nah
in
die
Bundeshauptstadt
kommen,
um
eine
Stadt-
besichtigung
oder
einen
Museumsbesuch
zu
unternehmen.
Verträumt
kann
man
den
„eleganten“
Wiedner
Gürtel
entlang
schlendern,
um
nach
kurzer
Wegstrecke
die
Gärten
des
Belvedere zu erreichen.
Das
von
Johann
Lucas
von
Hildebrandt
zwischen
1714
und
1723
für
Prinz
Eugen
von
Savoyen
erbaute
Schloss
bietet
für
die
meisten
das
erste
Highlight,
um
ihr
smartes
Phone
zu
zücken
und
Selfies
zu
machen.
Daneben
ruft
die
innere
Stimme
zu
einem
Besuch
–
vor
allem
bei
ausländischen
Touristen
sehr
beliebt
–
der
Klimt
Sammlung.
Viele
entscheiden
sich
auch
dafür,
nicht
so
der
MÜRZPANTHER.
Das
Interesse
liegt
bei
einer
Ausstellung
im
oberen
Belvedere,
die
den
Namen
„Lebensnah“
trägt.
„Mit
der
Malerei
des
Realismus
tauchen
wir
ein
in
eine
vergangene
Zeit,
die
uns
dennoch
überraschend
nahe
scheint.
Dies
liegt
daran,
dass
diese
Stilrichtung
oft
als
Spiegel
des
Alltags
und
der
sozialen
Umwelt
eingesetzt
wurde.“
meint dazu der Kurator Franz Smola.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
„Der offene Blick an der realistischen Darstellung begeistert uns bis heute!“
Die Stimmungen stehen in Gegensatz zur Schnelllebigkeit.
Frau mit Melone
Udo Weith, 1933, Tempera auf Karton;
Oberes Belvedere
Der
Realismus
löste
die
Romantik
ab,
stärker
kann
ein
Gegensatz
kaum
sein.
„Das
Einfache,
Banale
oder
scheinbar
Unscheinbare
wurde
im
Realismus
darstellungswürdig.
Was
auffällt,
sind
der
weitgehende
Verzicht
auf
Formen
von
Konvention
und
Repräsentation
und
das
besondere
Interesse
an
sozialen,
gesellschaftlichen
und
politischen
Themen.
Der
offene
Blick
ist
das,
was
uns
bis
heute
an
realistischen
Darstellungen
begeistert!“
meint
auch
Kerstin Jesse, Kuratorin der Ausstellung.
Aus
den
Beständen
des
Belvedere
wurde
eine
interessante
und
thematisch
vielfältige
Ausstellung
geschaffen,
denn
neben
dem
großen
Zeitrahmen
von
1850
bis
1950
spannt
sich
auch
ein
thematisch
interessanter
Rahmen
der
gesellschaftlichen
und
vor
allem
künstlerischen
Entwicklung.
Der
Fokus
liegt
auf
der
Malerei.
Der
Fokus
liegt
auf
der
durchgehenden
Qualität
der
gezeigten
80
Gemälde.
Und
gratulieren
darf
man
auch
der
Umsetzung
durch
die
Kuratoren,
die
nicht
mit
dem
Zeigefinger
mahnen
und
agieren,
sondern die Lebensumstände dieses Zeitraumes aufzeigen, aber nicht bewerten.
Gegliedert
ist
die
Ausstellung
in
Themenbereiche,
etwa
„Das
echte
Leben“
oder
„Der
Blick
nach
innen“.
Diese
Titel
geben
Aufschluss
über
die
dargestellten
Szenen:
die
oft
„unsichtbare“
Arbeit
von
Dienstboten,
Knechten
und
Mägden.
Daneben
nimmt
auch
das
Stillleben
in
der
realistischen
Malerei
einen
wichtigen
Stellenwert
ein.
Die
alltäglichen
Dinge
des
Lebens
werden
mit
maltechnischer
Raffinesse
auf
Leinwand
verewigt
und
stehen
für
sich.
Die
Werke
schildern
stille
Momente,
Alltägliches,
wie
auf
dem
Portrait
einer
Haushaltshilfe
von
Udo
Weith.
Die
„Frau
mit
Melone“,
mit
Kopftuch
und
einer
weißen
Schürze,
beeindruckt
durch
ihre
Schlichtheit,
besticht
durch
einen
sehr
natürlich,
lebensnahen
Ausdruck
und
drückt
leicht
lächelnd
den
Umständen
geschuldet
auch
Zufriedenheit aus.
Diese
Stimmungen
stehen
in
so
gewaltigen
Gegensatz
zu
dem,
was
in
unserer
Zeit
als
„Schnelllebigkeit“
bezeichnet
wird
und
in
diesen
Ausstellungsräumlichkeiten
-
um
sie
vor
Augen
zu
führen
-
wie
bestellt
allgegenwärtig
ist:
Touristen
rennen,
hasten
ruhelos
durch
die
Säle,
auf
der
Suche,
ein
Selfie
mit
Motiv
in
die
Welt
schicken
zu
können.
Damen
lassen
sich
vor
Damenportraits
von
ihren
Kindern
verewigen,
jegliches
Interesse
vermissen
lassend,
„fotografieren“
andere
in
den
Garten
hinunter.
10
Sekunden
-
und
schon
der
nächste
Raum.
Kein
ausgestelltes
Bild
wird
betrachtet,
kein
Inhalt
aufgenommen.
Das
ganze
Belvedere in 27 Minuten. Es gleicht dem Bahnhof, an dem man in Wien ankommt.
Grete Gamerith auf blauer Couch
Walter
Gamerith,
1936,
Öl
auf
Leinwand
Oberes Belvedere
Wie
wohltuend
wirkt
in
diesem
Szenario
das
Bild
von
Walter
Gamerith
von
seiner
Frau
Grete.
In
der
Bildbeschreibung
finden
sich
Worte
wie
müde,
nachdenklich.
Das
sehe
ich
nicht.
In
elegant
–
schlichter
Bekleidung
ruht
sie
in
harmonisch
kühlen
Blautönen,
in
sich
gekehrt.
Dieses
Bild
von
1936
ist
großartig,
die
Geradlinigkeit
der
Malerei,
die
Flächigkeit
des
Farbauftrages,
die
die
Gelassenheit
betont
und
damit
die
Stimmung
generiert,
und
die
Gegenüberstellung
von
Blau
–
Türkis-
und
Grüntönen
lässt
die
Ruhe
vollendet
wirken.
Die
Darstellung
des
„Wirklichen“
ohne
romantischem
Beiwerk
gilt
grundsätzlich
auch
der
Betrachtung
der
Natur,
dem
Menschen
und
der
Stadt,
deren
Motive
zunehmend
auch
die
negativen Seiten des als kühl und anonym empfundenen urbanen Lebens zeigen.
Ich
verabschiede
mich
vom
Lärm
und
der
Großstadt,
von
Selfies
und
unnötigem
Beiwerk
und
begebe
mich
mit
stiller
Freude
wieder
in
die
Steiermark
in
meine
Natur,
von
der
der
österreichische
Maler
Theodor
von
Hörmann
1892
gemeint
hat:
„
Und
staunend
wird
man
einmal
fragen,
wie
es
kam,
dass
die
Maler
im
19.
Jahrhundert
die
Natur
so
sehen
lernten,
wie sie wirklich ist.“
Ausstellungen wie diese können dazu beitragen. u
Die Darstellung des „Wirklichen“ gilt grundsätzlich auch der Betrachtung der Natur.
Zeit zu schauen, Zeit zu
genießen. Das obere
Belvedere hat Vielfältiges
zu bieten. Vor allem
Jenen, die interessiert
sind.
der MÜRZPANTHER