DIE INSZENIERUNG EINER STADT
Durch
Venedig
zu
spazieren
ist
schön.
Vor
allem
im
Jänner,
wenn
der
ziemlich
kalte
Wind
geht,
mir
aber
wie
überall
anders
auch
hier
sympathisch
ist.
Manchmal
regnet
es
auch
-
dann
sucht
man
am
besten
eine
Bar
auf
und
genehmigt
sich
einen
Negroni.
Das
kann
-
wie
auch
anderswo
in
Italien
-
Momente
des
Glücks
bescheren.
Im
ersten
Monat
des
Jahres
ist
die
Chance
auch
groß,
ein
Plätzchen
mit
Blick
auf
die
Straße
zu
bekommen,
wodurch
man
das Treiben der Stadt beobachten kann.
Das
unterscheidet
sich
nicht
von
anderen
Städten:
Kinder,
die
aus
der
Schule
kommen,
Unbeschirmte,
die
sich
unter
einen
Dachvorsprung
vor
dem
Niederschlag
in`s
Trockene
flüchten,
Zusteller
und
Transporteure,
die
ihre
Ware
ausliefern,
raschen
Schrittes
dahin
eilende
Geschäftsleute
und
Bankangestellte
in
Anzügen
und
weißen
Turnschuhen,
gasserlge-
hende
Hundebesitzer,
meist
mit
ihren
adrett
bemäntelten
Vierbeinern,
ein
paar
wenige
Touristen, die orientierungs- und ratlos die nächste „Sehenswürdigkeit“ nicht finden.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
Protzen kann man mit diesem kleinen schmutzigen Abenteuer aber jedenfalls.
Von Jakob Alt bis Lucchino Visconti: Der Mythos einer Stadt.
Diese
Momente
des
Regens
und
der
Stille
lassen
die
grellen
chinesischen
und
abstoßenden
Souvenirläden
vergessen,
rufen
aber
die
Stimmung
von
Zanipolo
ins
Gedächtnis.
Sie
lassen
die
Ungetüme
von
Fährschiffen,
die
mittlerweile
allgegenwärtig
sind,
vergessen
und
rufen
den
Geruch
des
Fischmarktes
hervor,
mit
den
kreischenden
Möwen,
die
sich
um
die
Abfälle
streiten.
Venedig
schenkt,
wie
jede
andere
Stadt
auch,
echte
Einblicke
in
das
Leben
erst
nach
geraumer
Zeit.
Diese
sind
weit
weg
von
romantisierenden
Verfallsvorstellungen
oder
filmisch geprägten Inszenierungen einer Stadt.
Das
Untere
Belvedere
zeigt
in
der
Ausstellung
Viva
Venezia
die
Stadt
aus
dem
Blickwinkel
des
Freiers,
der
konsumiert
und
nach
Ablauf
der
bezahlten
Zeit
wieder
geht.
Mehr
oder
weniger
befriedigt,
die
nächste
Stadt
steht
bereits
auf
einer
Liste
-
protzen
kann
man
mit
diesem
kleinen
schmutzigen
Abenteuer
aber
jedenfalls.
Wer
aber
will
die
Lust
am
Schänden
nicht
verstehen:
Was
Künstler,
Maler,
Bildhauer
oder
Literaten
bewogen
hat,
die
Darstel-
lungen
so
zu
formulieren,
wie
sie
es
getan
haben,
resultieren
nur
zu
einem
geringen
Teil
aus
der
Schönheit
der
Stadt,
denn
dieser
kann
man
gar
nicht
entkommen.
Es
spielen
viele
Aspekte
und
Sichtweisen
mit,
dazu
meint
die
Generaldirektorin
Stella
Rollig:
„Die
Ausstellung
wagt
eine
These:
Venedig
wäre
nicht
‚Venedig‘
ohne
den
Blick
von
außen,
ohne
die
künstlerische
Interpretation
dieser
einzigartigen
Stadt.
Die
Schau
zeigt
die
Genese
eines
Mythos
aus
dem
Geist
der
Künste
des
19.
Jahrhunderts,
dessen
Kernmotive
bis
heute
wirksam sind.“
Ja, da hat sie recht.
Und wie ein Künstler benutzt man das Model, bezahlt und dankt und geht.
Den
Anfang
der
wie
in
Amsterdam
in
ein
Schaufenster
gesetzten
Stadt
gestaltet
auch
ein
Gemälde
der
Kaiserin
Elisabeth,
von
Franz
Russ
der
Jüngere.
Im
selben
Raum
hat
bei
unserem
Besuch
(leider:)
der
Monitor
gefehlt,
der
die
in
Österreich
wohlbekannten
„Sissi
Filme“
von
Ernst
Marischka,
die
zum
Teil
auch
in
Venedig
gedreht
wurden,
in
einer
Endlosschleife
wiedergibt.
Neben
den
qualitativ
hochwertigen
Gemälden,
die
hauptsächlich
aus
der
eigenen
Sammlung,
bzw.
dem
großen
Fundus
des
Belvedere
stammen,
besticht
die
Ausstellung
durch
ihre
Gliederung.
Wie
so
oft
findet
man
thematische
Kapitel,
hier
deren
drei,
die
sich
auf
die
Spuren
dieser
artifiziellen
Inszenierung
eines
nicht
enden
wollenden
Traumes
begeben.
Es
ist
natürlich
vom
Hause
Habsburg
die
Rede,
von
der
Loslösung
aus
der
bürgerlichen
Enge
im
eigenen
Land
und
von
dem
neuen
Profil,
das
Venedig
im
19.
Jahrhundert
erhielt
und
sich
zu
einem
großen
Teil
daran
orientierte,
wie
es
von
Intellektu-
ellen, Literaten und Künstlern von außen gemustert, bemessen und zur Ware wurde.
Dieser
Zeit
ist
auch
geschuldet,
dass
zwei
Sichtweisen
tonangebend
waren:
Einerseits
schufen
Historiker
die
Legende
des
düsteren,
korrumpierten
Venedig
in
den
Fängen
einer
über
Jahrhunderte
herrschenden
und
intriganten
Autokratie,
die
sogenannte
leggenda
nera
.
Andererseits
weideten
sich
Literaten
am
romantischen
Venedig,
angezogen
vom
morbiden
Reiz des Verfalls und verzaubert von einer Stadt, die ins Wasser gebaut zu sein scheint.
Hans Makart, Venedig huldigt Caterina Cornaro, Detail 1872–1873
© Belvedere, Wien
Leopold Carl Müller, Blick von Mestre auf Venedig
(Lagunenlandschaft), 1871
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Ludwig Johann Passini,
Kürbisverkäufer in Chioggia, 1876
© Belvedere, Wien
Es
sei
an
dieser
Stelle
betont,
dass
der
Rahmen
des
unteren
Belvedere
nicht
besser
gewählt
sein
könnte.
Bis
in
das
letzte
eine
Inszenierung,
die
auch
durch
die
Pracht
des
Gebäudes
die
Inhalte
der
Ausstellung
als
Mythos
glaubwürdig
macht.
Die
Auseinandersetzung
trägt
dabei
nicht
den
Namen
„Realität“.
Ein
besonderes
Beispiel
dafür
ist
das
über
zehn
Meter
lange
Gemälde
von
Hans
Makart
Venedig
huldigt
Caterina
Cornaro
–
wegen
seines
ungewöhnlichen
Formats
nur
selten
zu
sehen
und
gleichzeitig
eine
der
besonderen
Attraktionen
der
Schau.
Der
Blick
verliert
sich
in
diesem
1872–1873
entstandenen
Gemälde
zwischen
dem
Gesamteindruck
-
gewaltig
-
und
den
Details,
die
besondere
Freude
hervor-
rufen: sei es das Blumenbouquet oder das an den Vorgängen eher uninteressierte Kind.
Die
sorgfältig
komponierte
und
gefällige
Ausstellung
ist
facettenreich
in
ihren
Motiven
-
von
wild
bewegten
Meeresszenen
bis
hin
zu
Alltagssujets
-
und
überfordert
keinesfalls
durch
den
Umfang.
Gerade
deswegen
kann
man
sich
entspannt
den
einzelnen
Werken
zuwenden,
wie
beispielsweise
dem
Gemälde
von
Ludwig
Johann
Passini,
Kürbisverkäufer
in
Chioggia
,
1876
gemalt.
Die
Vielschichtigkeit
der
Erzählung
nimmt
den
Betrachter
auf
eine
Reise
mit:
Früchte,
neckische
und
vielverheißende
Blicke
zwischen
Mann
und
Frau,
soziale
Aspekte
zeigen
sich
im
Ausdruck
von
Mühsal
des
täglichen
Lebens
bis
hin
zu
dem
Jungen,
offenbar
Gehilfe,
der
sich
am
Boot
liegend
zu
Tode
zu
langweilen
scheint.
Links
geht
eine
gut
gekleidete Dame mit Fächer aus dem Bild.
Die
Ausstellung
umfasst
rund
achtzig
Gemälde,
daneben
bieten
Beispiele
aus
Literatur
und
Film
weitere
Zugänge
zur
künstlerischen
Auseinandersetzung
mit
der
Stadt
Venedig.
Die
vielen
Darstellungen
der
Lagunenstadt
bringen
für
den
Kenner
den
Wert
der
Wiederer-
kennung.
Und
jenen,
die
ihr
immer
fremd
bleiben
werden,
zumindest
den
Sonnenuntergang
am
Meer.
Es
wird
der
Mythos
vor
Augen
geführt,
der
mit
der
Stadt
und
dem
Leben
in
der
Stadt
real
so
gar
nichts
gemeinsam
hat.
Und
nunmehr
ausgestattet
wie
ein
Künstler
benutzt
man das Model, bezahlt und dankt und geht.