der muerzpanther
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dMP:   Was   soll   man   tun   oder   nicht   tun,   wenn   man   einen   Ästling   im   Gras   sitzen   sieht   (gut   gemeint   ist   nicht gleich gut gemacht …)? Evelyn   Hofer:   Wenn   Jungvögel   außerhalb   des   Vogelnests   gefunden   werden,   wollen   viele   Menschen   sofort   helfen. Doch   in   den   allermeisten   Fällen   sind   die   gefundenen   Vögel   gar   nicht   hilfsbedürftig   und   sollten   daher   in   Ruhe gelassen werden! Zu aller erst ist es wichtig das Stadium des Vogels zu erkennen: Ein   Nestling   ist   ein   nackter   Jungvogel   im   Nest.   Wenn   man   einen   solchen   Nestling   findet,   sollte   man   zuerst versuchen,   ihn   ins   Nest   zurück   zu   setzen.   Erst   wenn   das   nicht   möglich   ist,   kommt   eine   Handaufzucht   in   Frage. Hierzu ist am besten Rat von einer  Auffangstation in Ihrer Umgebung  einzuholen. Ein   Ästling   ist   ein   befiederter   Jungvogel   außerhalb   des   Nests.   Fast   alle   Jungvögel   verlassen   das   Nest,   bevor   sie richtig   fliegen   können   und   werden   außerhalb   des   Nestes   noch   von   den   Eltern   versorgt.   In   den   allermeisten   Fällen ist   der   Jungvogel   also   nicht   allein,   sondern   wird   von   seinen   fürsorglichen   Altvögeln   versorgt.   Im   Falle   von   Äst- lingen   sollte   man   nur   dann   einschreiten,   wenn   der   Jungvogel   tatsächlich   verwaist   ist   -   also   wirklich   längere   Zeit kein   Altvogel   zur   Versorgung   kommt   -   oder   sich   in   unmittelbarer   Gefahr   befindet,   z.B.   auf   einer   Straße   sitzend oder   durch   Katzen   bedroht.   Sie   können   den   Vogel   an   einen   geschützten,   optimaler   Weise   erhöhten   Ort   in   der Nähe setzen, wie etwa in ein Gebüsch. dMP:   Ist   nicht   davon   auszugehen,   dass   man   von   den   Altvögeln   beim   Beobachten   bemerkt   wird   und   sie deswegen den Ästling nicht füttern kommen? Evelyn   Hofer:   Ja   das   ist   möglich,   deshalb   sollte   man   von   Nestern   und   Jungvögel   immer   Abstand   halten.   Zu   viel Störungen   am   Nest   können   sogar   zum   Abbruch   der   Brut   führen.   Wenn   man   das   Brutgeschehen,   oder   auch   die frisch   ausgeflogenen   Jungvögel   beobachten   möchte,   sollte   man   immer   genug   Distanz   bewahren,   damit   die Altvögel ungestört füttern können.
dMP: Welche sind die häufigsten Gefahren für Jungvögel und unterscheiden sie sich zwischen den Vogelarten? Evelyn   Hofer:   Es   kommt   sehr   auf   die   Umgebung   an.   Kälte,   Nahrungsmangel   und   Prädatoren   wie   Marder,   Eich- hörnchen, Aaskrähen   oder   Eichelhäher   sind   für   alle   Vogelarten   eine   Gefahr.   Im   Siedlungsgebiet   stellen   die   nicht natürlichen   Gefahren   wie   Katzen,   Glasscheiben   und   Verkehr   sehr   wahrscheinlich   ein   größeres   Problem   dar   als die   natürlichen   Prädatoren.   Natürlich   kann   es   auch   zu   Nestabstürzen   kommen.   Sie   kommen   vor   allem   bei   Arten vor,   die   keine   richtigen   Nester   bauen   wie   z.B.   Tauben.   Hingegen   können   Jungvögel   mancher   Vogelarten,   wie Beutelmeise   oder   Schwanzmeise   auch   auf   Grund   der   Nestbauart   -   geschlossen   und   ausgepolstert   -   mit   Kälte recht gut umgehen. dMP: Warum fallen Nestlinge überhaupt aus dem Nest – ist es dem Futterbetteln zuzuschreiben? Evelyn   Hofer:   Viele   Jungvögel   die   man   außerhalb   des   Nests   findet   sind   eventuell   gar   nicht   aus   dem   Nest gefallen,   sondern   ausgeflogen.   Manchmal   werden   Jungvögel   auch   absichtlich   von   ihren   Eltern   aus   dem   Nest geworfen,   z.B.   wenn   sie   krank   sind.   Bei   Störung   (z.B.   durch   den   Menschen)   können   sie   aus   dem   Nest   fallen, besonders   wenn   sie   kurz   vorm   Ausfliegen   sind.   Auch   durch   intensives   Futterbetteln   kann   nicht   ausgeschlossen werden, dass Jungvögel aus dem Nest fliegen. dMP:   Sind   auch   bei   Singvögeln   aus   einer   Brut   ein   paar   Jungvögel   weiter   entwickelt   als   die   Geschwister   und wie wirkt sich das auf deren Überleben aus? Evelyn   Hofer:   Die   meisten   Singvögel   beginnen   erst   mit   dem   Bebrüten,   wenn   alle   Eier   gelegt   sind.   Daher schlüpfen   alle   Jungvögel   fast   gleichzeitig.   Es   gibt   ein   paar   Ausnahmen,   bei   Spatzen   und   Krähenvögel.   Sie beginnen   schon   ab   dem   vorletzten   oder   auch   drittletzten   Ei   mit   dem   Brüten.   Die   Küken   schlüpfen   folglich asynchron   innerhalb   von   1   bis   3   Tagen.   Die   Altvögel   kümmern   sich   in   der   Regeln   dann   länger   um   die   später Geschlüpften.   Natürlich   kann   aber   auch   nicht   ausgeschlossen   werden,   dass   bei   schlechtem   Nahrungsangebot   die schwächeren Jungvögel sterben.
Nackt,   blind   und   völlig   hilflos   schlüpfen   Singvogeljunge   aus   dem   Ei.   Nur   die   intensive   Versorgung   durch   die Altvögel   im   Nest   gibt   den   Nestlingen   eine   Überlebenschance.   Diese   bekommt   man   kaum   zu   Gesicht,   da   sie   sich, wie   der   Name   bereits   verrät,   im   Nest   befinden.   In   einem   Vogelnest.   Dort   werden   sie   von   den   Eltern   umhegt   und umpflegt    und    natürlich    ordentlich    gefüttert.    Sie    wachsen    rasend    schnell.    Das    müssen    sie    auch,    da    das Nahrungsangebot   in   dieser   Zeit   am   größten   ist.   Außerdem   müssen   sie   für   das   Leben   „da   draußen“   vorbereitet sein   und   ihre   volle   Flugfähigkeit   ausbilden.   Jede   Vogelart   auf   ihre   Weise   -   schließlich   ist   ein   Hausrotschwanz   kein Distelfink! Fast   alle   Jungvögel   verlassen   das   Nest,   bevor   sie   richtig   fliegen   können   und   werden   außerhalb   des   Nestes   von den   Eltern   versorgt.   Meist   sitzen   sie   gut   versteckt   im   Geäst   und   machen   durch   laute   Bettelrufe   auf   sich aufmerksam,   so   dass   die   Altvögel   wissen,   wohin   sie   das   Futter   für   den   hungrigen   Nachwuchs   bringen   müssen. Diese   wichtige   Phase   dauert   bei   den   meisten   Singvögeln   zwei   bis   drei   Wochen,   in   der   die   Jungen   nicht   nur   immer besser    fliegen    lernen,    sondern    alles,    was    sie    zum    Überleben    brauchen.    Diese    Phase    ist    aber    auch    die gefährlichste, da Räuber aus der Luft drohen oder auf dem Boden lauern. „Kann   der   Mensch   etwas   für   Nestlinge   und   Ästlinge   tun?“   fragt   sich   der   MÜRZPANTHER   und   MSc   Evelyn   Hofer, zuständig bei Birdlife Österreich für Bildung & Vogelschutz ums Haus.
Scheinbar unstillbar ist der Appetit bei den Amsel Nestlingen. Dies ist die anspruchsvollste Zeit für die Altvögel, die kaum einmal zu Ruhe kommen. Und dann lauern schon die Hauskatzen … Deswegen ein Appell an alle Katzenbesitzer: Lasst sie doch für drei Wochen bitte im Haus! Viele Millionen Singvögel fallen jedes Jahr den Katzen zum Opfer! Fotocredit: pixabay
dMP:   Wie   entwickelt   sich   das   „Piepsen“   vom   Nestling   zum   Ästling   zum Adulten?   Erkennt   man   –   gut   geschult – die Rufe in den jeweiligen Entwicklungsstadien? Evelyn   Hofer:   Jungvögel   haben   eigene   Bettelrufe,   die   mit   zunehmenden   Alter   lauter   und   kräftiger   werden.   Die Bettelrufe   unterscheiden   sich   zwischen   den   Vogelarten.   Die   Rufe   der   adulten   Vögel   klingen   in   der   Regel   anders und   verfolgen   andere   Ziele,   wie   das   Warnen   vor   Fressfeinden   oder   einfach   zum   „im   Kontakt   bleiben“.   Sehr erfahrene   Vogelkundler   können   diese   Rufe   gut   unterscheiden   und   meist   auch   einzelnen   Arten   zuordnen.   Man darf   sich   aber   auch   nicht   täuschen   lassen.   Bei   manchen   Vogelarten,   wie   der   Tannenmeise,   „imitieren“   die Weibchen   im   Zuge   der   Balz   die   Bettelrufe   der   Jungen   und   werden   vom   Männchen   mit   sogenannten   „Braut- geschenken“ gefüttert. Womöglich testet sie dadurch aus, wie gut sich das Männchen als Vogelpapa eignet. dMP:   Es   gibt   Anregungen,   Katzen   während   der   Zeit   im   Haus   zu   lassen.   Haben   Sie   Zahlen,   die   belegen,   wie viele Jungvögel von Katzen gerissen werden? Und stellt das eine Gefahr für die Populationen dar? Evelyn   Hofer:   Es   gibt   keine   konkreten   Zahlen,   aber   Hochrechnungen,   dass   allein   aufgrund   der   hohen   Anzahl   an Freigängerkatzen   (>1   Mio.)   jedes   Jahr   Millionen   Vogelindividuen   in   Österreich   von   Katzen   getötet   werden. Besonders   gefährdet   von   Katzen   erbeutet   zu   werden   sind   Vogelarten,   die   in   Siedlungen   oder   im   Siedlungsumfeld brüten und sich viel am Boden aufhalten (z. B. Amsel, Hausrotschwanz, Girlitz, Bluthänfling, Grünling). In   der   heute   intensiv   genutzten,   strukturell   verarmten   Landschaft   ist   es   nach   Befunden   in   einigen   Studien möglich,   dass   Katzen   in   ihrem   zumeist   zersiedelten   Einflussbereich   regional   bzw.   temporär   während   der   Brutzeit zu einem weiteren Rückgang mancher Vogelarten beitragen. Negative   Effekte   auf   seltene   oder   in   ihrem   Bestand   stark   rückläufige   bzw.   geschützte   Vogelarten   wurden   in Österreich   bisher   schlichtweg   nicht   untersucht   und   daher   können   wir   diese   auch   nicht   ausschließen.   Dabei müssen   auch   Effekte   beachtet   werden,   die   über   die   direkten   Verluste   hinausgehen,   wie   ein   hoher   Störungsdruck alleine   durch   die   Anwesenheit   von   Katzen   und   damit   verminderte   Fütterungsraten   durch   Altvögel,   die   gerade ihre Jungen versorgen. Vögel   sind   besonders   in   den   fütterungsintensiven   Morgen-   und   Abendstunden   in   der   Hauptbrutzeit   von   April   bis Juli   gefährdet   –   wir   empfehlen   daher   Katzen,   vor   allem   im   Frühjahr   und   Frühsommer,   möglichst   wenig   Freigang vor allem während der Dämmerungszeiten zu erlauben. dMP: Herzlichen Dank für das interview! -
So sehen sie aus, die Nestlinge. Sie sind angewiesen, dass die Altvögel genug Beute machen können, was wiederum mit der Zahl der Insekten und der Verfügbarkeit an Samen zusammenhängt. Auf die Jungen, die durchkommen warten aber außerhalb des Nestes noch weitere Gefahren: Nummer 1: die Hauskatzen! Wenn Sie helfen wollen, unterbinden Sie vor allem während der Dämmerung den Freigang Ihres Haustieres! Fotocredit: pixabay
Hier hat der Bettelruf gewirkt: Ein Blaumeisenästling wird versorgt. Nächste Lektion: Fliegen lernen und die Sprache der erwachsenen Meisen üben. Es wird schon! Fotocredit: pixabay