NATUR FINDET SICH AUCH IM MUSEUM
Es
war
im
Mai
letzten
Jahres
dasselbe:
Regen,
Regen,
Regen.
Dieser
wunderbare
Umstand
kann
kaum
besser
als
mit
einem
Museumsbesuch
genutzt
werden.
Heuer
wie
auch
schon
2024.
Und
wenn
es
schon
schiech
ist,
könnte
man
auch
gleich
einen
Ausflug
nach
Wien
machen.
Das
Wetter
kann
dann
gleichzeitig
Auslöser
und
Ziel
sein,
wenn
Sie
nämlich
im
Kunsthistorischen
Museum
die
äußerst
lohnende
Sonderausstellung
mit
dem
Titel
Arcimboldo Bassano Bruegel Die Zeiten der Natur
besuchen. Bis 29. Juni!
Diese
Schau
hat
sich
dem
Thema
Natur
verschrieben,
wozu
das
Wetter
natürlich
auch
gehört.
Im
Mittelpunkt
stehen
drei
Meister
des
Rinascimento:
zwei
Italiener
und
ein
Niederländer.
Unverkennbar
in
ihrer
stilistischen
und
thematischen
Ausformung
werden
die
großen
Themen
Zeit
und
Natur
im
Vergleich
der
Künstler
präsen-
tiert.
Die
Ausstellung
widmet
sich
auch
der
Beziehung
des
Menschen
zu
seiner
Umwelt
im
Europa
des
16.
Jahr-
hunderts
und
ihren
vielfältigen
Darstellungen
in
der
Kunst.
Dabei
ist
die
Sichtbarmachung
des
Ab/Laufs
der
Zeit durch die Darstellung der Lebenszyklen der Natur von besonderer Bedeutung.
Es
ist
wahrlich
ein
bunter
Reigen
durch
Landschaften,
Botanik,
und
Getier.
Und
Mensch.
Wer
kennt
sie
nicht,
die
Darstellungen
der
Jahreszeiten
oder
Elemente
(Luft,
Feuer,
Erde,
Wasser)
des
Arcimboldo,
wer
kennt
sie
nicht,
die
beeindruckenden
malerischen
Formulierungen
von
Pieter
Bruegel
der
Ältere,
von
Mensch
und
Natur
in
Heimkehr
der
Herde
oder
Jäger
im
Schnee
?
Die
Tätigkeiten
der
lokalen
Bevölkerung
-
die
alle
sozialen
Schichten
umfasst
-
im
Umfeld
der
Natur
waren
in
Italien
im
16.
Jahrhundert
besonders
beliebt,
weswegen
es
auch
nicht
verwundert,
dass
dieses
Genre
ebendort
meisterlich
gehandhabt
wurde.
Mit
einer
wahren
Fülle
an
Gemälden
vertreten
sind
Jacopo
Bassano
und
dessen
Söhne
Francesco
und
Leandro.
Daneben
verleihen
Blätter
von
Leonardo
da
Vinci
und
Albrecht
Dürer
der
Ausstellung
Glanz.
Sie
dienen
der
Sichtbarmachung
des
Wissensstandes
um
die
Natur
in
der
Renaissance,
aber
auch
das
aufkommende
Interesse,
sich
überhaupt
dem
Thema künstlerisch anzunehmen.
Francesca
del
Torre
Scheuch,
Kuratorin
der
Ausstellung,
meint
in
ihrem
Vorwort
des
reich
bebilderten
Katalogs:
„
Die
Entwicklung
der
Beziehung
zwischen
Kunst
und
Wissenschaft,
die
in
den
Darstellungen
der
Jahreszeiten
und
Monate
zum
Ausdruck
kommt,
förderte
die
Entstehung
eines
neuen
Geschmacks
und
des
Genres
des
Stilllebens.
“
Die
Aufbruchstimmung
dieser
Zeit
-
hin
zur
Natur
-
ist
kaum
zu
übersehen,
die
Wurzeln
reichen
aber
bereits
in
die
Antike
zurück.
Neu
hinzu
kommt
die
Darstellung
der
landwirtschaftlichen
Arbeit,
wodurch
ländliche
Alltags-
szenen,
Tiere
und
Pflanzen
Einzug
in
die
Kunst
halten.
Was
aber
wusste
man
im
16.
Jahrhundert
über
„die
Natur“?
Nicht
wirklich
viel.
Im
Mittelalter
sah
man
die
Natur
als
feindliche
und
bedrohliche
Umgebung
an,
die
Darstellungen
waren
eng
an
das
Christentum
gebunden,
sowohl
der
Landschaft
als
auch
der
Tiere
und
Pflan-
zen.
Symbolik
herrschte
vor,
das
aufkommende
Interesse
an
der
Naturbeobachtung
führte
erst
am
Übergang
vom
Mittelalter
zur
Neuzeit
zu
einer
neuen
wissenschaftlichen
Betrachtungsweise
und
auch
Einordnung
der
Natur.
Einer,
der
in
diesem
Kontext
als
beispielgebend
erwähnt
werden
muss
ist
Volcher
Coiter,
(1534
-
1576)
ein
niederländischer
Arzt,
Anatom
und
Vogelkundler.
Er
studierte
intensiv
die
Anatomie
und
das
Verhalten
der
Vögel
und
veröffentlichte
Zeichnungen
der
Skelette
von
Kranichen
und
anderen
Arten.
Er
begann
auch
die
Vögel
nach
ihren
anatomischen
Merkmalen
in
Gruppen
und
Untergruppen
zu
teilen;
Zeitlich
lange
vor
Carl
von
Linné hat er damit bereits moderne Methoden der Klassifizierung angewandt.
Die
Errungenschaften
des
Rinascimento
beeinflussen
natürlich
auch
die
künstlerischen
Ausformungen.
„Zugleich
mit
Leonardo
hielt
Albrecht
Dürer
in
seinen
Zeichnungen
die
Wunder
der
Natur
fest
und
schuf
so
zauberhafte
Darstellungen
von
besonderer
Anziehungskraft,
die
er
oft
in
seinen
Gemälden
und
Kupferstichen
weiterver-
arbeitete.“
sagt
Francesca
del
Torre
Scheuch.
Die
Wirkung
der
toten
Blauracke
(zu
sehen
in
der
Ausstellung)
ist
wirklich
sensationell.
Die
Sichtbarkeit
der
Federn,
der
Glanz
der
Farben
und
die
anatomische
Genauigkeit
machen
daraus
eine
„
eigenständige
Erkundung
der
Natur“
.
Dazu
ein
kurzer
Ausflug
in
die
Gegenwart:
Nach
nur
noch
als
katastrophal
zu
bezeichnenden
Bestandsrückgängen
brütet
aktuell
nur
noch
ein
einziges
Brutpaar
in
der
Südoststeiermark
und
auch
bei
diesem
Reliktvorkommen
ist
es
wohl
nur
eine
Frage
der
Zeit,
bis
es
verschwindet.
Die
Schutzbemühungen
zum
Erhalt
dieses
Vorkommens
waren
wohl
zu
zaghaft
und
kamen
zu
spä
t.
(bluehendesösterreich.at)
Das
soll
kein
erhobener
Zeigefinger
sein,
es
soll
aber
deutlich
machen,
wie
sich
der
Mensch
mit
dem
Wissen
um
die
Natur,
das
vor
Jahrhunderten
seinen
Ausgang
genommen
hat,
heute
in
seiner Umwelt orientiert. Damals nahm es einen Anfang, heute findet es ein Ende.
Die Wirkung der toten Blauracke
Jacopo da Ponte, genannt Bassano, geboren in Bassano del Grappa
Betrachten
wir
die
Bilder:
Vorbei
an
Arcimboldo,
an
Bruegel,
vorbei
an
jener
wunderbaren
Darstellung
von
Veroneses
Susanna
und
die
beiden
Alten
,
der
diese
bedrückende
Szene
in
meisterlicher
Art
umsetzt,
zu
Jacopo
da
Ponte,
genannt
Bassano
(1510
in
Bassano
del
Grappa
geboren).
Ihm
und
seinen
zwei
Söhnen
wollen
wir
uns
jetzt
zuwenden.
Eines
muss
ich
an
dieser
Stelle
gleich
anraten:
nehmen
Sie
sich
Zeit!
Es
gibt
so
viel
zu
schauen,
zu
entdecken,
zu
ergründen,
zu
finden!
Die
Gemäldeserie
wird
durch
die
jahreszeitlich
-
landwirt-
schaftlichen
Arbeiten
charakterisiert.
Spürbar
wird
das
tiefe
Verständnis
für
die
Natur
des
Künstlers
in
der
Landschaftsgestaltung
im
Hintergrund
und
der
Detailtreue
der
Tierdarstellungen.
Schafe,
Kühe,
Hunde,
Hasen.
Die
Kompositionen
der
Bilder
sind
sich
sehr
ähnlich:
Menschen-
und
Tiergruppen
im
Bildvordergrund,
Beiwerk
wie
blühende
oder
tragende
Apfelbäume
schmückt
die
Mitte
und
natürlich
der
sich
verändernde
Monte
Grappa
(vermutet
und
naheliegend)
im
Hintergrund.
Die
Arbeiten
führen
durch
das
Jahr:
Die
Rückkehr
einer
erfolgreichen
Jagd
mit
Hunden
im
Frühjahr,
im
Sommer
werden
die
Schafe
geschoren
und
der
Weizen
gedroschen,
der
Herbst
erzählt
rechts
beginnend
gleich
eine
ganze
Geschichte.
Bauern
ernten
Trauben
vom
Weinstock,
diese
werden
in
Körben
nach
links
getragen,
in
ein
Fass
entleert
und
in
der
Mitte
des
Bildes
von
einem
barfüßigen
Kind
gestampft,
von
einem
anderen
gleich
verkostet.
Im
Hintergrund
wird
für
das
nächste
Jahr
bereits
ausgesät.
Im
Winter
sind
die
Bauersleut
mit
Holzsammeln
beschäftigt,
auffällig
wird
ein
Kleinchen
unbekleidet
herumgereicht.
Vielleicht
ein
neuer
Erdenbürger?
Vielleicht
eine
Anspielung
auf
Weihnachten?
Die
kalte Jahreszeit ist jedenfalls nur im Katalog aber nicht in der Ausstellung zu sehen.
Den
Gemälden
des
Jacopo
eigen
ist
eine
biblische
Darstellung
zu
jeder
Jahreszeit,
winzig
im
Hintergrund.
Beginnend
mit
dem
Sündenfall
im
Frühjahr
bis
zum
Kreuzweg
Christi
im
Winter.
Interpretierbar
als
Geschichte
des
Menschen
vom
Verlust
der
Gnade
Gottes
bis
zur
Hoffnung
auf
die
Erlösung
durch
das
Opfer
Christi.
Die
beiden
Söhne,
Francesco
und
Leandro
entfernen
sich
von
dieser
Symbolik
und
nehmen
ein
Hauptthema
der
wissenschaftlichen
Betrachtung
des
16.
Jahrhunderts,
der
Astronomie
auf.
Die
Erkenntnisse
der
Zeit
basieren
auch
auf
Isidor
von
Sevilla
(560
-636,
Spanien),
der
ein
20
bändiges
Werk
über
das
weltliche
und
religiöse
Wissen
schuf,
eine
Darstellung
der
sieben
Freien
Künste
Grammatik,
Rhetorik,
Dialektik,
Arithmetik,
Geometrie,
Musik
und
Astronomie,
dazu
die
Lehren
der
Erdkunde
mit
Beschreibung
von
Naturphänomenen
wie
Sonnenfinsternis
oder
Erdbeben.
Der
Einfluss
auf
die
Renaissancemaler
zeigt
sich
in
der
Zuordnung
Frühling/
Kindheit,
Sommer/Jugend,
Herbst/Reife
und
Winter/Alter.
Gerade
die
Verbindung
zwischen
Jahreszyklen
und
Astronomie
in
Form
der
Sternzeichen
findet
man
in
den
Gemälden
wieder,
als
Jahreszeit
oder
als
Monats-
bezeichnung.
Leandro
Bassano
schuf
einen
unglaublichen
Gemäldezyklus
der
zwölf
Monate.
Die
Serie
ist
fast
zur
Gänze
in
Wien
erhalten,
nur
die
Monate
September
und
Oktober
befinden
sich
in
der
Burggalerie
in
Prag,
als
Leihgabe
ergänzen
sie
den
Monatszyklus
dieser
Sonderausstellung.
Der
Dezember
ist
leider
verschollen.
Leandro
gibt,
wie
auch
bereits
sein
Vater
und
dessen
Werkstatt,
die
Dargestellten
und
deren
Tätigkeiten
präzise
wieder.
Ebenso,
wie
die
Werkzeuge,
Gegenstände
und
die
Bekleidung.
Diese
Details
fesseln
geradezu.
Man
vertieft
sich
in
das
Schneetreiben,
in
die
feilgebotenen
Fische,
in
das
Schlagen
von
Butter,
in
das
Zimmern
eines
Weinfasses,
das
Pflücken
von
Rosen
oder
in
das
Ernten
der
Äpfel.
Vielleicht
erregen
die
Szenen
so
etwas
wie
Sehnsucht
nach
einem erfüllten Leben …
In
den
Gemälden
fehlt
es
nicht
an
Bewegung.
Es
tut
sich
immer
etwas
und
die
Spannung
in
der
Betrachtung
lässt
daher
nicht
nach.
Gebückt
richten
Bäuerinnen
einen
Rastplatz
her,
in
leicht
manierierter
Körperdrehung
wird
ein
Korb
gehoben,
ein
Hund
springt
herum,
Ochsen
ziehen
ein
Gespann,
Katzen
lauern
Gänsen
auf.
Am
meisten
faszinieren
mich
die
Lichtstimmungen,
hervorgerufen
durch
die
Wettersituation.
Fast
alle
Gemälde
zeigen
die
schweren
Wolken,
die
so
eindrucksvoll
den
Himmel
zieren
und
zur
Sichtbarmachung
des
Monats
die
Sternzeichen
tragen.
Gewitterwolken,
die
dunkel
drohen
und
-
wie
im
April
des
Leandro
Bassano
-
sich
in
einem
Regenguss
entladen.
Sie
wecken
geradezu
das
Gefühl
von
Regentropfen
auf
der
Haut,
den
Wind
zu
spüren,
der
plötzlich
und
heftig
aufkommt,
des
stärker
werdenden
Donnergrollens
von
den
Bergen
her.
Natur
im
Museum
-
samt
den
zarten
Rottönen
der
tief
stehenden
oder
untergehenden
Sonne
am
Horizont.
Das
Gesamtpaket
samt
Regenwolken
gibt
es
besser
nur
„in
Echt“.
Im
Mai.
Und
davon
bin
ich
vor
dem
Bild
stehend
einmal
zwei
Auto-
stunden entfernt.
Ist
es
dieses
gute
Gefühl,
das
man
mitnimmt
und
das
retrospektiv
von
der
Ausstellung
bleiben
wird,
kombiniert
mit
einer
spannenden
Entdeckungsreise
in
eine
unglaublich
kreative
und
produktive
Zeit
in
Kunst
und
Wissen-
schaft?
Mit
Sicherheit.
Und
wer
sich
das
Vergnügen
macht,
den
Katalog
zu
kaufen,
kann
noch
lange
Zeit
später
in
einem
faszinierendem
Werk
Nachschau
halten.
Umfassend
wird
das
gesellschaftliche
und
künstlerische
Umfeld
beleuchtet,
Entwicklungen
dargestellt
und
im
Einzelnen
auf
die
Künstler
eingegangen.
Der
im
Hannibal/
Belser
Verlag
erschienene
Begleitband
brilliert
mit
Gestaltung,
Text
und
auch
Bildbeispielen,
die
in
der
Ausstellung
nicht
zu
sehen
sind.
Besonders
erwähnenswert
ist
die
sensationelle
Farbwiedergabe
der
Gemälde,
aber
auch
die
Auswahl
der
Details.
Und
wenn
Sie
den
Katalog
Ihr
Eigen
nennen,
vergessen
Sie
nicht
auf
einer
der
letzten
Seiten
das
Bittgedicht
der
Chloris
-
einer
griechischen
Nymphe,
die
bei
Ovid
Flora,
der
Göttin der Blüte gleichgesetzt wird, zu lesen:
…
und in den schönen Rosen verbirgt sich der schmerzende Dorn
…
Lichtstimmung, Gewitterwolken, Regenschauer
Albrecht Dürer (1471–1528) Tote Blauracke
um 1500, Aquarell und Deckfarben auf Pergament, mit Deckweiß und Gold gehöht; 274 × 198 mm
© Albertina, Wien
Leandro Dal Ponte, genannt Bassano (1557–1622)
Juni 1581/87
Leinwand; 145 × 216 cm
Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie
© KHM-Museumsverband
Ein wunderschöner Katalog schließt eine faszinierende
Ausstellung ab. Denn man kann zu Hause noch nachlesen und
wenn er derart sorgfältig gemacht ist, bereitet Seite für Seite
nichts als Vergnügen.
Ein klein wenig schade finde ich, dass großteils der Bildteil
hell-türkis unterlegt ist. Für meinen Geschmack ist noch immer
neutrales weiß für die Bilder am Verträglichsten.
Foto: der MÜRZPANTHER