DIE STRATEGIEN DER SCHLAFMÜTZEN
Bereits
in
der
Volksschule
lernen
die
Kinder
die
unterschiedlichen
Strategien
der
Tiere
zu
überwintern:
Winterstarre,
Winterruhe
und
Winterschlaf.
Diese
gehen
mit
physiologischen
Veränderungen
einher,
die
den
Wildtieren
dabei
helfen,
die
Zeit
der
Futternot
unbeschadet
zu
überstehen.
Dabei
reduziert
sich
der
Stoff-
wechsel
der
Tiere
auf
ein
Minimum:
Die
Körpertemperatur
sinkt
drastisch,
meist
auf
nur
wenige
Grad,
Atmung
und
Herzschlag
verlangsamen
sich
auf
ein
paar
Schläge
bzw.
Atemzüge
pro
Minute.
Bei
Igeln
ist
es
besonders
eindrucksvoll:
Sie
atmen
statt
40
bis
50
Mal
pro
Minute
noch
ein
bis
zwei
Mal,
das
Herz
schlägt
statt
200
nur
noch
fünf
Mal
pro
Minute.
Die
Körpertemperatur
sinkt
von
36
Grad
auf
5°C.
Sie
halten
deswegen
Winterschlaf,
weil
sie
bei
kalter
Witterung
keine
Käfer
und
Würmer
zum
Fressen
finden.
Und
was
machen
die
Käfer
und
Würmer im Winter? Auch sie sind Schlafmützen und warten darauf, dass es wieder wärmer wird …
Welche
Tierarten
verfolgen
aber
welche
Strategie?
Wie
bewerkstelligen
es
Säugetiere,
Käfer,
Schnecken,
Igel,
Erdkröten,
Blindschleichen,
Spinnen
oder
Vögel
gut
über
den
Winter
zu
kommen?
Und
haben
die
milder
werdenden
Winter
einen
Einfluss
auf
die
Ruhezeit
dieser
Wildtiere?
Kann
jeder
Einzelne
für
die
Tiere
etwas
tun?
Der
MÜRZPANTHER
hat
ein
lohnendes
Interview,
in
dem
Sie
viel
über
die
Überwinterungsstrategien
der
heimischen Wildtiere erfahren, mit Fr. Carolina Trcka-Rojas Msc. vom
Naturschutzbund Österreich
geführt.
Das „hin und her“ ist besonders gefährlich, da aufgewachte Tiere dann plötzlich erfrieren können.
dMP: Wie wirken sich die schwankende Temperaturen im Winter auf die drei Arten der Überwinterung aus?
Fr.
Trcka-Rojas:
Höhere
Temperaturen
können
vor
allem
dazu
führen,
dass
Winterschlaf
und
Winterruhe
früh-
zeitig
unterbrochen
werden
und
noch
keine
Nahrung
vorhanden
ist.
Viele
Tiere
sind
dadurch
untergewichtig
oder
können
sogar
versterben,
weil
die
„restliche
Natur“
noch
nicht
erwacht
ist.
Bei
einer
Unterbrechung
der
Winterstarre
werden
die
Tiere
auch
zu
früh
aktiv
und
beispielsweise
bestäubende
Insekten
finden
keine
Blüten,
es
entsteht
eine
„phänologische
Dissonanz“
(Anmerkung:
Phänologie
beschäftigt
sich
mit
der
Entwicklung
der
Pflanzen und dem Verhalten der Tiere im Jahresverlauf, beeinflusst von Wetter und Witterung.)
dMP:
Die
letzten
Jahre
war
es
bis
Ende
Dezember
durchschnittlich
eher
warm.
Wirkt
sich
dieser
Umstand
auf
den
Zeitpunkt
des
Beginns
der
Überwinterung
aus
–
oder
ist
eher
das
Nahrungsangebot
dafür
ausschlaggebend?
Fr.
Trcka-Rojas:
Je
nach
Art
ist
der
Startzeitpunkt
der
Überwinterungsperioden
unterschiedlich,
meist
hängt
es
aber
sowohl
von
Temperatur
als
auch
von
der
Tageslänge
ab:
Je
kürzer
die
Tage
werden,
desto
eher
ist
Zeit
zum Überwintern gegeben.
dMP: Sind „warme“ Winter den Tieren zuträglich?
Fr.
Trcka-Rojas:
Das
hängt
vor
allem
davon
ab,
wie
warm
die
Winter
sind.
Gleichbleibende,
niedrige
Tempera-
turen
sind
weniger
schlimm,
als
große
Temperaturschwankungen:
über
10°C
und
dann
ein
Temperatursturz.
Das
„hin
und
her“
ist
besonders
gefährlich,
da
aufgewachte
Tiere
dann
plötzlich
erfrieren
können.
Winterschlaf-
zeiten können sich durchaus verschieben, dies muss aber als gradueller und langsamer Prozess passieren.
Das
zwischenzeitliche
Aufwachen
ist
bei
Tieren,
die
Winterschlaf
halten,
besonders
kritisch.
Das
tun
sie
auch
nur,
etwa
um
ihre
Position
zu
verändern.
Oder
auch
in
Ausnahmesituationen,
wie
bei
starkem
Wassermangel
oder
bei
extremer
Kälte
mit
Erfrierungsgefahr
erwachen
die
Tiere,
um
zu
trinken
oder
das
Quartier
zu
wechseln.
Typische
„Winterschläfer“
sind
beispielsweise
Fledermäuse,
Murmeltiere,
Siebenschläfer
und
Igel.
Im
Gegensatz
dazu
werden
die
Stoffwechselfunktionen
bei
der
sogenannten
Winterruhe
–
wie
sie
Eichhörnchen
oder
Dachse
halten
–
deut-lich
weniger
reduziert.
Die
Tiere
wachen
häufiger
auf,
setzen
Urin
ab,
fressen
gesammelte Vorräte oder verlas-sen sogar ihr Nest, um nach Nahrung zu suchen.
Kreuzspinnen in Berggebieten kommen mit Frost besser zurecht als die in wärmeren Tieflagen.
dMP:
Sind
„kurze“
Winter
den
Tieren
zuträglich,
oder
gibt
es
so
etwas
wie
eine
biologische
Winterruhe
-
Uhr? D.h, eine „Mindestdauer“ für jede Art von Überwinterung?
Fr.
Trcka-Rojas:
Die
Länge
ist
hier
nicht
ganz
so
wichtig
wie
das
Nahrungsangebot.
Solange
die
natürlichen
Prozesse,
wie
das
Austreiben
der
Pflanzen
und
Erwachen
der
Insekten
zur
gleichen
Zeit
mit
den
Säugetieren
und
anderen
Tiergruppen
einhergeht
und
einfach
nur
zu
einem
früheren
Zeitpunkt
stattfindet,
ist
meist
kein
großes
Problem
gegeben.
Winterruhezeiten
verkürzen
sich
generell,
wenn
der
Frost
später
erst
einkehrt
und
früher
verschwindet.
Es
gibt
zwar
bei
vielen
Arten
eine
programmierte
„Uhr“,
doch
diese
ist
zum
großen
Teil
hormonell gesteuert und temperaturabhängig.
Die
wechselwarmen
Tiere
fallen
in
eine
Winterstarre.
Für
sie
ist
die
kalte
Jahreszeit
eine
besondere
Heraus-
forderung,
da
ihre
Körpertemperatur
von
der
Außentemperatur
abhängig
ist
und
sie
so
weitaus
leichter
erfrieren
können
als
„gleichwarme“
Tiere
wie
Säugetiere
oder
Vögel.
Wenn
es
kalt
wird,
sinkt
ihre
Körpertem-
peratur
und
ihr
Stoffwechsel
verlangsamt
sich
stark.
Einige
Tiere,
wie
der
Zitronenfalter,
arbeiten
mit
einer
Art
Frostschutz:
Sie
erhöhen
die
Menge
an
Glycerin
in
ihrem
Körper,
um
nicht
zu
erfrieren.
(Anmerkung:
Glycerin
ist
ein
Alkohol,
der
aus
Zucker
gewonnen
wird.
Die
Frostschutzwirkung
ergibt
sich
durch
den
Gefrier-
punkt
von
-
18°C.).
Die
meisten
anderen
wechselwarmen
Tiere
haben
diese
spezielle
Anpassung
nicht
und
sind
auf frostfreie Verstecke unter Laub, Steinen, in Komposthaufen, Totholz oder Böden angewiesen.
dMP:
Man
sagt
doch
immer
über
die
Nacktschneckeneiergelege,
dass
diese
bei
anständigem
Frost
(im
Frühjahr)
nicht
überleben
können.
Stimmt
das?
Das
bedeutet
dann
auch,
dass
Tiere
unter
Laubhaufen
strengem Frost ausgesetzt sind. Haben Spinnen und Käfer auch einen Kälteschutz – wie Glycerin?
Fr.
Trcka-Rojas:
Unsere
heimischen
wechselwarmen
Tiere
sind
vielerorts
auf
strenge
Winter
vorbereitet.
Ent-
weder
haben
sie
spezielle
Anpassungen
entwickelt,
wie
eben
einen
erhöhten
Spiegel
von
vor
Frost
schützenden
Substanzen
im
Körper,
oder
überwintern
an
sichereren
und
tieferen
Plätzen
im
Gegensatz
zu
jenen
Arten,
die
nicht
solch
kalten
Winterverhältnissen
ausgesetzt
sind.
Hier
hängt
es
oft
spezifisch
von
den
Populationen
der
Tiere
ab,
Kreuzspinnen
in
Berggebieten
kommen
mit
Frost
besser
zurecht
als
die
in
wärmeren
Tieflagen.
Grundsätzlich
gibt
es
aber
auch
heimische
Nacktschnecken,
die
natürlich
an
den
Frost
angepasst
sind,
unterschiedliche Arten sind auch unterschiedlich kälteresistent.
Der Feldhamster hält
noch Ausschau nach
dem Winter, die
Erdkröte hingegen
sucht schon ein
geeignetes Platzerl
für die kalte
Jahreszeit …
Fotocredit: pixabay
Und wieder einmal stechen die heimischen Schmetterlinge durch Besonderheiten hervor: Ein paar wenige ziehen über den
Winter weg, wie der Admiral oder das Taubenschwänzchen! 15% der Tagfalter überwintern als Eier, darunter einige Bläulings-
arten. lediglich 7% schlagen sich als Erwachsene durch, wie im Bild zu sehen: das Tagpfauenauge oder der wunderschöne Trauer-
mantel. Den größten Anteil allerdings bilden die Raupen - 59% - der kleine Eisvogel rollt sich über die kalte Jahreszeit mit einem
Blatt ein. Die verpuppten Tagfalter, wie der Schwalbenschwanz, halten sich mit den Eiern, die überwintern, die Waage: 16%.
Fotocredits: pixabay
dMP:
Wie
tief
gelangt
der
Frost
in
die
Erde
und
wie
machen
das
die
Erdkröten,
die
sich
eingraben
–
brauchen diese Plusgrade in der Erde über den Winter?
Fr.
Trcka-Rojas:
Wie
tief
der
Frost
kommt,
hängt
von
der
Bodenart,
dem
Wassergehalt
und
dem
Klima
ab.
Ca.
80cm
soll
in
Mitteleuropa
die
maximale
Frosttiefe
sein,
meist
herrscht
aber
bereits
in
ca.
1m
Tiefe
im
Boden
eine
konstante
Temperatur
von
rund
4-5°C.
Solange
sie
nicht
komplett
einfriert
sind
der
Erdkröte
auch
niedrige
Temperaturen
meist
egal,
manche
Individuen
können
selbst
kurzzeitige
Minustemperaturen
und
Frost
überleben.
Meist begeben Sie sich aber in Winterquartiere die noch Plusgrade aufweisen.
dMP:
„Das
verrottende
Material
erzeugt
auch
ganz
natürliche
Wärme“
(gemeint
sind
Komposthaufen)
:
Laufen diese Vorgänge den ganzen Winter über ab? Wie viele Grad Unterschied entstehen dadurch?
Fr.
Trcka-Rojas:
Das
ist
sehr
unterschiedlich,
je
größer
der
Laubhaufen
oder
Komposthaufen,
bzw.
je
dicker
die
Laubschicht
desto
mehr
Wärme
bleibt
erhalten.
Ja,
verrottendes
Material
bildet
immer
Wärme,
im
Sommer
kann
das
sogar
dazu
führen,
dass
ein
Komposthaufen
70°C
erreichen
kann!
In
einem
Laubhaufen
kleiner
bis
mittlerer Größe kann so auch im Winter eine Temperatur von 0-5°C aufrecht erhalten werden.
dMP: Herzlichen Dank für die faszinierenden Einblicke und Ausführungen!
Langjährige Leser dieses sensationellen Mediums kennen es natürlich bereits: Die Einblicke in meinen Garten. Ungemäht, unordentlich, unansehnlich. Und doch: Die Tiere
lieben ihn und ich auch! Die Tiere lieben die Blätterhaufen, die liegengelassenen Äpfel als letzte Zuckerreserve und das Totholz und die Misthaufen hinunter zum Bach.
Fotocredit: der MÜRZPANTHER
Je dicker die Laubschicht desto mehr Wärme bleibt erhalten.