der muerzpanther
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Weltweit   führen   viele   Vogelarten   lange,   saisonale   Wanderungen   durch.   Aufgrund   des   hohen   Energieaufwands haben   Zugvögel   verschiedene   Strategien   entwickelt,   um   Energie   zu   sparen   –   z.   B.   das   Nutzen   der   Thermik   und des   intermittierenden   Flugs,   also   der   Wechsel   von   Schlag-   und   Gleitflug.   Dazu   zählt   auch   das   Reisen   in   eng strukturierten   Gruppen,   den   sogenannten   Formationen:   Wenn   ein   Vogel   fliegt,   strömt   die   Luft   um   die   Flügel und   löst   sich   dahinter   als   Flügelspitzenwirbel   ab.   Dadurch   entstehen   zwei   Bereiche   mit Aufwind   außerhalb   der Flügel und ein Bereich mit Abwind innerhalb der Flügel. dMP: Welche Vögel bedienen sich des Formationsfluges? Elisa   Perinot:   Es   gibt   viele Arten,   die   den   Formationsflug   nutzen.   Normalerweise   sind   es   mittelgroße   und   große Vögel, wie zum Beispiel Flamingos. Kleine Vögel benutzen diese Flugstrategie nicht. Folgende   Vogelarten   bedienen   sich   auf   ihrem   Zug   in   und   vom   Winterquartier   der   V-Formation:   Die   Gänsevögel, Ruderfüßer   und   Schreitvögel.   Zu   den   Gänsevögeln   gehören   die   Gänse,   aber   auch   Enten   und   Schwäne.   Die   bei uns   vorkommenden   Ruderfüßer   sind   den   Fischern   ein   Dorn   im   Auge:   die   Kormorane,   währenddessen   die Schreitvögel auch als touristische Attraktion angesehen werden: die Störche. dMP: Hat auch die spezifische Form der Flügel eine Auswirkung auf die Effizienz? Elisa   Perinot:   Wir   wissen   nicht   wirklich   viel   über   den   Formationsflug,   viele Aspekte   darüber   sind   nie   untersucht worden.   Mir   ist   keine   Studie   bekannt,   die   die   Form   der   Flügel   und   ihren   Einfluss   auf   den   Formationsflug untersucht   hat.   Aber   wir   wissen,   dass   Vögel   mit   langen   und   schmalen   Flügeln   gleiten   und   je   länger   und schmäler   die   Flügel   sind,   desto   besser   gleiten   sie.   Es   könnte   durchaus   sein,   dass   die   Form   der   Flügel   einen Unterschied macht, aber bekannt ist dieser Umstand nicht. dMP:   Die   positiven   Effekte   auf   die   Energiebilanz   scheinen   aber   deutlich   geringer   zu   sein,   als   bisher ange-nommen wurde. „ (laut Studie) Wie hoch ist der Effekt nun? Elisa   Perinot:   Theoretische   Studien   zeigen,   dass   die   Vögel   bis   zu   siebzig   Prozent   Energie   sparen   könnten,   wenn sie   in   einem   Formationsflug   fliegen.   Eine   Studie   mit   Pelikanen   konnte   aufzeigen,   dass   die   Herzfrequenz   der Vögel   im   Formationsflug   bis   zu   15%   niedriger   war.   Wir   haben   eine   geringeren   Unterschied   gefunden,   eine ungefähr 4% niedrigere Herzfrequenz.
Die   Studie,   unter   Leitung   der   Veterinärmedizinischen   Universität   Wien,   untersuchte   erstmals   dafür   Waldrappen (Geronticus    eremita)    während    ihres    Flugs.    Die    theoretische   Ausgangsposition    war,    dass    Vögel    durch    aero- dynamische   Interaktionen   in   einem   Schwarm   ihren   Energieverbrauch   um   mehr   als   50   %   senken   können.   Die   re- alen   Bedingungen   ergaben,   dass   während   des   aktiven   Schlagflugs   Herzfrequenz   und   die   effektive   Flügelschlag- frequenz,   wenn   die   Vögel   im   Windschatten   waren,   sanken.   Das   deutet   darauf   hin,   dass   die   Tiere   im   Wind- schatten   vermehrt   im   intermittierenden   Gleitflug   flogen.   Die   Energieersparnis?   Aufgrund   der   verringerten   Herz- frequenz während des Fliegens im Wachzustand: um bis zu 4,2 %. dMP:   Selbst   5%   bedeutet   doch   auf   eine   Strecke   von   10.000   km   (bei   Störchen   bspweise)   eine   riesige   Energie- einsparung! Elisa   Perinot:   Genau!   Es   scheint,   dass   4%   wenig   ist.   Aber   wir   müssen   berücksichtigen,   dass   diese   Vögel   oft tausende   Kilometer   fliegen,   und   4%   kann   eine   große   Energieeinsparung   sein!   Ein   Beispiel:   Wenn   neue   Motoren für   Autos   oder   Flugzeuge   entwickelt   werden,   brauchen   diese   oft   nur   eine   relativ   geringere   Menge   an   Kraftstoff weniger als frühere Versionen. Aber diese Einsparung kann langfristig viel sein, wenn man viele Kilometer fährt. Einerseits   denken   wir,   dass   die   Vögel   unerfahren   sind   und   daher   nicht   wissen,   wie   sie   den   Formationsflug   am besten   nutzen   können,   um   Energie   zu   sparen. Andererseits   könnten   sich   die   realen   Bedingungen   anders   auf   den Formationsflug   auswirken,   so   dass   die   Energieeinsparung   geringer   ist.   Diese   beiden   Motivationen   schließen   sich nicht gegenseitig aus, “ so Elisa Perinot in der Studie. dMP:   Gibt   es   bezüglich   der   Fähigkeiten   des   Stammhirns   (wozu   sicher   auch   der   Formationsflug   gehört   –   oder muss dieser erlernt werden?) bei Individuen „Unerfahrenheit“? Elisa   Perinot:    Das   ist   eine   gute   Frage   -   aber   wir   wissen   das   leider   nicht.   In   zwei   Studien,   eine   mit   Ibisen   und   eine mit   Gänsen,   haben   die   Autoren   herausgefunden,   dass   während   der   Migration   die   jungen   Vögel   mit   den   Eltern fliegen,   und   dass   sie   V-Formation   benutzen.   In   der   Studie   mit   den   Gänsen   fliegen   die   Jungen   hinter   den   Eltern. Beide   Studien   zeigen,   dass   die   Jungen   von   den   Eltern   lernen,   wie   man   in   Formation   fliegt.   In   unserer   aktuellen Studie   gibt   es   nur   jugendliche   Vögel,   die   es   natürlich   schaffen,   in   Formation   zu   fliegen.   Ich   glaube,   sie   spüren, dass es eine Position gibt, wo es einfacher ist, zu fliegen. dMP: Hat der Formationsflug auch einen anderen Zweck/ Nutzen hat als nur die Energieeffizienz? Elisa   Perinot:   Ja,   sicher.   Außer   der   Energieeinsparung,   denken   wir,   nützt   der   Formationsflug   auch   der   Kom- munikation   zwischen   den   Vögeln.   Wenn   sie   einfach   hintereinander   fliegen,   können   sie   nicht   so   gut   sehen,   was sich   vor   ihnen   abspielt.   Wenn   sie   aber   seitlich   fliegen,   haben   sie   ein   gutes   Sichtfeld.   Das   hilft   nicht   nur   der Navigation,   sondern   beispielsweise   auch   um   Raubvögel   zu   sehen.   Viele   Studien   gibt   es   aber   nicht,   die   diese Theorie unterstützen, weil es schwierig zu beweisen ist.
ZEIT DER ZUGVÖGEL Der   Herbst   ist   nicht   nur   die   schönste   Jahreszeit,   sondern   kann   durchaus   auch   zur   lautesten   werden:   Wenn nämlich   die   Kraniche   mit   ihrem   krächzenden   Trompeten   in   V-Formation   in   den   Süden   ziehen.   Über   das   Mürztal fliegen   sie   von   Osten   aus   kommend   nach   Österreich   ein   und   danach   nördlich   oder   südlich   der   Alpen   weiter   in ihre   Winterquartiere   in   Südwesteuropa.   Es   ist   ein   faszinierendes   Naturschauspiel,   wenn   tausende   Vögel   aus Skandinavien   und   Osteuropa   kommend   größtenteils   Ende   Oktober/Anfang   November   über   Österreich   nach Frankreich,    Spanien    oder    Nordafrika    ziehen.    Seit    gut    15    Jahren    verzeichnen    wir    eine    starke    Zunahme ziehender Kraniche über Österreich “, so Norbert Teufelbauer von BirdLife Österreich. Kraniche   sind   faszinierende   Vögel.   Mit   mit   einer   Spannweite   von   180   bis   220   Zentimetern   können   sie   auch   die Thermik   nützen.   Wenn   günstige   Aufwinde   vorhanden   sind,   schrauben   sie   sich   in   die   Höhe   und   legen   danach längere   Segelphasen   ein   und   schlagen   dann   kaum   oder   gar   nicht   mit   den   Flügeln.   Sind   diese   nicht   vorhanden fliegen   sie   oft   in   V-Formationen,   schräg   versetzt   ein   Vogel   hinter   dem   anderen.   Sie   sparen   damit   Energie, indem    sie    den    durch    den    „Vordervogel“    entstehenden    Windschatten    nutzen.   Aber    wie    effizient    ist    die Formation und kann wirklich viel Energie eingespart werden? Diesen   Fragen   ist   in   einer   neuesten   Studie   Elisa   Perinot,   PhD,   vom   Konrad   Lorenz   Institute   of   Ethology   der Vetmed Uni Wien nachgegangen. Der MÜRZPANTHER hat um ein Gespräch gebeten. Spannend!
dMP: Wird der „Anführer“ eines Formationsfluges regelmäßig abgelöst oder bleibt immer derselbe vorne?  Elisa Perinot: Der “ Anführer ” der Formation ist nicht immer der gleiche. Bei den Waldrappen sehen wir, dass sie oft tauschen - zeitweise sogar alle paar Sekunden! Aber wir sehen auch, dass die Vögel nicht lange in einer Formation fliegen. Es scheint mir, dass andere Vogelarten in stabileren Formationen fliegen, in denen der Anführer auch länger in seiner Position bleibt. Natürlich kann er so keine Energie sparen, deswegen werden die Positionen regelmäßig getauscht.   dMP: Braucht es überhaupt eines Formationsfluges oder müsste sonst auf der Zugstrecke öfter Pause gemacht werden? Elisa Perinot: Das wissen wir auch nicht. Wahrscheinlich schon. Vielleicht würden sie auch öfter Luftströmungen nutzen. Es wäre interessant, diesen Aspekt zu untersuchen.  dMP: Gibt es neben Zugvögeln auch andere Arten, die nicht ziehen, aber in V – Formation fliegen?  Elisa Perinot: Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube nicht. Grundsätzlich nutzen die Vögel den Formationsflug nicht nur, wenn sie ziehen, sondern auch, wenn sie einfach von einem Ort zu einem anderen fliegen.  dMP: Herzlichen Dank für das spannende Gespräch!
„Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme Von Kranichen begleiten ihn, Die fernhin nach des Südens Wärme In graulichtem Geschwader ziehn.“ In Friedrich Schiller „Kraniche des Ibykus“ werden die Vögel zum Symbol der Rache, einen Mord zu sühnen. Generell ist der Kranich mit Symbolik beladen - von Glück, Wachsamkeit, Klugheit bis hin zum Erhabenen. Fotocredit: Kraniche © Anita Hombauer, Birdlife Österreich
Beginnt jede V-Formation mit drei Individuen? Wer übernimmt die Führung? Welche Koordination braucht es, um die Ordnung im Flug beizubehalten? Fragen, die eventuell noch geklärt werden müssen. Andere hingegen sind schon beantwortet. Fotocredit: Kraniche © Flora Bittermann, Birdlife Österreich
Woher die Daten für diese Studie der Vetmed Uni Wien kommen? Unter anderem von diesen Datenloggern, die die Waldrappen am Rücken mittragen. Fotocredit: Waldrappteam Conservartion and Research