der muerzpanther
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dMP: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Flächen aus? Johannes   Gepp :   Wir   wollen   prinzipiell   immer   kaufen.   Dabei   ist   das   wichtigste   Kriterium:   so   artenreich   wie möglich.   Bei   vielen   Europaschutzgebieten,   die   zur   Gänze   dem   Naturschutz   unterliegen   sollten,   geht   das   aber leider   nicht.   Diese   werden   oft   nur   auf   20   Jahre   verpachtet,   danach   wird   eine   blühende   Wiese   wieder   zum Maisanbau gebraucht. dMP:   Muss   die Artenvielfalt   bereits   gegeben   sein,   oder   haben   Sie   vom   Naturschutzbund   den   Weitblick,   eine Entwicklung für die nächsten 20, 30 Jahre zu erkennen? Johannes   Gepp :   Sowohl   als   auch!   Erst   neulich   haben   wir   im   südsteirischen   Weinland   einen   sehr   trockenen   Hang angeschaut.   Bei   solchen   Hängen,   die   normalerweise   als   Weingärten   genutzt   werden,   gibt   es   eine   sehr   rasche Entwicklung.   Bereits   in   10   Jahren   werden   wir   dort   wieder   besondere Arten   antreffen   können.   Der Artenreichtum wird sich sicher vergrößern, aber wenn der Mensch schon einmal eingegriffen hat, dauert es meist sehr lange … dMP: Wie korreliert die Artenvielfalt mit der Größe der von Ihnen angekauften Flächen? Johannes   Gepp :   Das   ist   ganz   unterschiedlich.   Es   gibt   besondere   Lebensräume,   die   sehr   klein   sind:   Bei   Weihern trifft   man   beispielsweise   seltene   Libellen   und   deren   Larven   an   -   oder   eine   besondere   Wasserpflanze!   Erst   vor   3 Tagen   habe   ich   so   eine   Stelle   in   der   Nähe   des   grünen   Sees   angeschaut.   Grundsätzlich   gilt:   Je   größer   eine   Fläche ist,   desto   eher   wird   es   auch   „Besonderheiten“   geben!   In   der   Nähe   des   Semmerings   haben   wir   22ha   Blumen- wiesen   unterschiedlicher Art   und   dort   gibt   es   30   000   Orchideen,   verteilt   auf   16   unterschiedliche Arten. Aber:   Die eine   Besondere   unter   den   insgesamt   400   verschiedene   Blütenpflanzenarten   gibt   es   auf   nur   3   bis   4   Qm   innerhalb der   Fläche:   die   Einblattorchidee!   Einen   Hinweis   geben   aber   auch   sogenannte   „Zeigerpflanzen“.   Bei   Blumen- wiesen ist das beispielsweise der Wiesensalbei! Die   Blüten   der   privat   und   öffentlich   angesäten   Blumenwiesen,   die   als   bienenfreundlich   gelten,   verschwinden nach   zwei   bis   drei   Jahren   wieder.   Unsere   Wiesen   dagegen   bleiben   und   werden   von   Jahr   zu   Jahr   besser.   Warum? Vor   allem,   weil   die   Wiesen   wie   vor   hundert   Jahren   und   mehr,   nicht   mehr   gedüngt   werden.   Durch   die   Fütterung der Rinder und deren Dung schadet man den Flächen. dMP: Lassen Zeigerpflanzen einen Schluss auf die Bodenqualität der Wiesen zu?   Johannes   Gepp :   Natürlich.   Auch   bei   Böden   wie   den   Hochmooren,   die   eigentlich   nur   ganz   wenige   Arten   behei- maten, höchstens 50! Aber diese gibt es dann wirklich nur dort - wie die Drosera, den Sonnentau.
dMP: Denkt der NSB daran, wie die Initiative „Natur im Garten „ auch mit Privaten zusammen zu arbeiten? Johannes   Gepp :   Das   haben   ja   wir   initiiert.   Naturgarten   war   unsere   Idee   …   schon   vor   40,   50   Jahren.   Auf   wenigen Qm   kann   man   im   eigenen   Garten   auch   etwas   machen,   Wildnisecken,   oder   einen   Gartentümpel,   der   mindestens   10 bis   12   qm   groß   und   tief   genug   sein   müsste,   um   im   Winter   nicht   zuzufrieren.   Das   bringt   unzählige   Wasserkäfer   und Libellenarten, dort können auch Stechmückenlarven heranwachsen, die wieder gefressen werden … Wir   predigen   auch   immer,   Brennnesseln   stehen   zu   lassen   -   darauf   leben   praktisch   alle   Raupen   unserer   gängigen Tagfalter.   Das   Tagpfauenauge,   der   kleine   Fuchs,   der   C-   Falter,   das   Landkärtchen   oder   der   Distelfalter.   Wichtig   für Bläulinge   und   Segelfalter   wäre   auch   die   Schlehe,   ein   klein   bleibender   Strauch.   Überhaupt   sollte   die   Gartenhecke aus möglichst vielen Arten bestehen. DMP: Einen besonderen Platz hat in Ihrer letzten Aussendung die sibirische Schwertlilie. Johannes   Gepp :   Ja,   weil   der   Bestand    im   Ennstal   der   größte   in   ganz   Österreich   ist!   Es   gibt   Jahre,   in   denen   auf dieser   Wiese   1   Million   Blüten   sind!   Früher   war   ja   das   ganze   Ennstal   voll,   jetzt   sind   es   nur   noch   4   oder   5   Flächen, auf   denen   sie   wachsen.   Diese   Wiesen   konnten   wir   nur   durch   Spenden   vor   allem   von   Saubermacher,   Granit   und Kastner   und   Öhler   kaufen. Aber   auch   vom   Land   haben   wir   Geld   bekommen   und   jetzt   vom   Biodiversitätsfonds,   Mittel in   Millionenhöhe.   Damit   versuchen   wir   viele   Flächen   zu   kaufen,   die   feucht   sind   oder   überschwemmt   werden, Flächen   also,   die   die   Bauern   nicht   mehr   brauchen.   Deswegen   muss   ich   auch   deutlich   sagen   -   entgegen   der   Meinung des   Bundeskanzlers   und   des   Landeshauptmannes   der   Steiermark   -   dass   uns   die   Bauern   diese   Flächen   verkaufen wollen! Die Bauern wollen keine feuchten Wiesen, keinen Sumpf und wahrscheinlich auch kein Moor! dMP:    Vermehren    Sie    die    Schwertlilien    auch    selber,    oder    überlassen    Sie    solche    Wiesen    der    eigenen Entwicklung? Johannes   Gepp:    Die   1   Million   Blüten   ist   nur   deswegen   zustande   gekommen,   weil   wir   die   Wiese   vor   25   Jahren gekauft   und   dann   der   Natur   überlassen   haben.   Sie   wird   nur   einmal   am   Jahresende   gemäht   und   dadurch   säen   sich die   Iris   durch   die   trockenen   Samenkapseln   ohnedies   selber   aus.   Tausende   Samen   nehmen   wir   davon   aber   auch   für Wiesen, die in der näheren und weiteren Umgebung sind. Das ist aber eher die Ausnahme … dMP:   Wenn   Sie   eine   Wiese   kaufen   und   damit   die   Düngung   und   Bewirtschaftung   endet,   kommt   es   vor,   dass Pflanzen, die über Jahrzehnte dort überdauert haben wieder wachsen und erblühen? Johannes   Gepp :   Das   ist   ganz,   ganz   selten. Allerdings   kommen,   wenn   es   vorher   ein Acker   war,   die Ackerwildkräuter wieder,   die   auch   gefährdet   sind.   Kornblumen   und   Klatschmohn   werden   auf   diesen   Flächen   häufiger.   Aber   bis   ein Acker   wieder   zu   einer   natürlichen   Wiese   wird,   dauert   das   30   Jahre! Anfänglich   säen   wir   Hafer   an,   damit   dieser   die Düngemittel   aus   der   Erde   zieht.   Erst   danach   kommen   die   Blumen.   Dafür   nutzen   wir   auch   die   Möglichkeit   der Heuübertragung.   Wenn   in   der   Nähe   eine   artenreiche   Wiese   ist,   werden   aus   dieser   mit   einem   speziellen   Gerät   die Samen   gewonnen   und   übertragen. All   das   hilft   aber   nichts,   solange   noch   Düngemittel   im   Boden   sind!   Der   Dünger   ist Gift für die Vielfalt!
NATUR BRAUCHT FLÄCHEN! Vor   genau   111   Jahren   wurden   in   den   Hohen   Tauern   11   km2   Grund   im   Stubachtal   für   einen   „Alpenschutzpark“ angekauft.   Dieses   Datum   kennzeichnet   auch   das   Geburtsjahr   des   Vereines   Naturschutzpark   –   der   Vorläufer   des Naturschutzbundes.   Seit   diesem   langen   Zeitraum   haben   sich   leider   die Aufgaben   und   Herausforderungen   um   eine intakte   Natur   um   uns   herum   kaum   verändert,   ganz   im   Gegenteil:   Es   geht   mehr   denn   je   darum,   Natur   und   deren Flächen   zu   erhalten.   Viele   Biotopflächen   des   Naturschutzbundes   sind   einmalige   Juwele   unserer   Natur-   und Kulturlandschaft,    die    zu    Überlebensinseln    für    gefährdete    Tier-    und    Pflanzenarten    wurden.    Ihre    laufende Erweiterung   –   so   konnten   wir   etwa   kürzlich   Schuttflächen   am   Dobratsch   in   Kärnten   oder   einen   großflächigen Biberlebensraum   in   Burgenland   ankaufen   –   und   ihre   Vernetzung   zu   Biotopverbünden,   sind   weitere   wichtige Schritte   im   Kampf   gegen   den   Artenverlust. “   sagt   Thomas   Wrbka,   Präsident   des   Naturschutzbundes   Österreich. Das   ist   eine   der   Kernaufgaben   des   Naturschutzbundes:   Flächen   zu   erwerben,   um   sie   der   Natur   zurückzugeben. Auch   in   der   Steiermark   gibt   es   bereits   zahlreiche   Beispiele   zum   „Naturfreikauf“.   Der   MÜRZPANTHER   hat   darüber mit Prof. Univ.-Doz. Dr. Johannes Gepp, Präsident vom  Naturschutzbund  Steiermark, gesprochen.
dMP: Bestimmte Pflanzen brauchen oft auch spezielle Bestäuber. Wie schnell kommen diese wieder? Johannes Gepp: Spezialistentum gibt es nur bei ungefähr 20% der Pflanzen - wie der Eisenhut im Gebirge, der seinen spezielle Bestäuber hat: die Eisenhuthummel. Die Masse der Pflanzen wird allgemein bestäubt, von den 700 Wildbienenarten und der Honigbiene bis hin zu winzigsten Insekten, die nicht größer sind als ein Komma - wenn die Pollen nicht zu groß sind. Der Kürbis beispielsweise hat aber so große Pollen, dass das nur die Hummeln schaffen. Grundsätzlich kann sich eine Pflanze nur dann optimal vermehren, wenn das Umfeld stimmt. Deswegen werden auch Pflanzen in Naturschutzgebieten weniger, wenn geeignete Bestäuber fehlen.   dMP: Daher kämpft man auch seit Jahren für den Lebensraum der Insekten …  Johannes Gepp: Dieser Lebensraum müsste natürlich verteilt sein. In der Oststeiermark ist durch Täler hindurch nur Mais gepflanzt und man sieht auf Kilometer keine einzige Blüte! Wenn sich ein Schmetterling in ein Maisfeld verirrt, kann es sein dass er an Hunger stirbt, weil er nicht mehr herausfindet. Hier müsste strategisch auf jeden Hektar Maisfeld 500qm Blumenwiese kommen! Und das überall. Es darf keine 10ha Maisfläche geben!   dMP: Bei uns vorkommende Laufkäferarten – als Beispiel – unterscheiden sich bereits von Tal zu Tal. Ist bei einer Wiederansiedlung in einer Region auch das genetische Material von Bedeutung?  Johannes Gepp: Manchmal ist es so. Daher versuchen wir immer, die nächstliegende Population zu nehmen. Leider gibt es für Käfer oder Schmetterlinge nur ein Handvoll Artenschutzprojekte. Zur Zeit beispielsweise für die Wanstschrecke oder den Alpenbockkäfer. Das sind aber Ausnahmen unter den 40.000 Insektenarten in Östereich. Bei den Laufkäfern ist eher das Problem, dass die Straßen die Lebensräume zerteilen. Daher sollte es mehr Biotopverbünde oder auch Biotopbrücken über Autobahnen nicht nur für die Bären geben, sondern auch für Kleinsäuger, Kröten und Insekten, damit sie sich nicht genetisch isolieren.  dMP: Woher nehmen Sie die Informationen, welche Tier- und Pflanzenarten ursprünglich auf einer Wiese heimisch waren?  Johannes Gepp: Fehlende Arten kennen wir aufgrund der roten Listen. Weiters ist  großes Wissen in den Museen, den Universitäten und bei Naturschützern vorhanden und natürlich aus der Fachliteratur. Daneben gibt es auch noch entlegene Bereiche, die die traditionelle Fauna und Flora aufweisen. Was mich als Universitätsdozent auch etwas schmerzt ist, dass die Unis auf der Jagd nach Nobelpreisen natürlich das verfolgen, was zu Ruhm führt. Der Naturschutz, das Überleben und der Klimawandel sind dabei eher Nebenthemen. Und an dieser Stelle muss ich auch an die steirischen Medien appellieren: Sie sollten mindestens so oft über Naturschutz berichten, wie über Auszeichnungen unserer Weinmarken - und von Fußball will ich gar nicht reden …    dMP: Kann zum Abschluss etwas Positives zu einer Bestandsentwicklung mitgegeben werden? Johannes Gepp: Derzeit sind das die altholzbewohnenden Käfer. Vor 50 Jahren bestand die Sorge, dass die Wälder so aufgeräumt wurden, dass die Nützlinge der Wälder aussterben werden. Das ist heute Gott sei dank ganz anders, in den Wäldern liegen Millionen umgebrochene Bäume, mit Hirschkäfern, großen Bockkäfern und Arten, die das tote Holz fressen und zerteilen.   dMP: Herzlichen Dank für das interview!   -
Eine Orchideenart, die auch bei uns im Mürztal wächst: das Knabenkraut. Wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, kann Jeder etwas entdecken: Blühpflanzen, Insekten oder die aquatisch lebenden Fliegenlarven. Fotocredit: der MÜRZPANTHER
Neben der finanziellen Hürde des Ankaufs ist auch die dauerhafte Pflege und Betreuung der mehr als 2.200 Naturparadiese eine große Herausforderung für den Naturschutzbund. Der Erfolg jedoch wird sichtbar - manchmal erst nach 20 - 30 Jahren. Bild links: die blühende Wiese mit den sibirischen Schwertlilien im Ennstal. Fotocredit: Johannes Gepp
Zwei der vielen, vielen Schmetterlingsarten in unserem Garten: Der Zitronenfalter, offenbar noch vor dem Sommerschlaf, fliegt schon wieder und der braune Waldvogel oder Schornsteinfeger, zu dessen Nahrungspflanzen verschiedene Gräser gehören. Fotocredit: der MÜRZPANTHER