DIE GRENZERFAHRUNG ALS KOPFSACHE
Um
Rembrandt
van
Rijn
gibt
es
zur
Zeit
ein
wahres
„Griss“.
Er
wird
in
Großstädten
in
halb
Europa
herumge-
reicht.
Zu
verschiedenen
Themen
befragt,
beispielsweise
zu
Farbe
und
Illusion
in
Wien.
Als
„Lehrer,
Stratege
und
Bestseller“
in
Leipzig
und
in
Kürze
auch
in
Frankfurt
unter
dem
Motto
„Rembrandts
Amsterdam
-
Goldene
Zeiten?“
Was
wie
die
Tournee
eines
Malerstars
aussieht,
ist
das
Interesse
zeitgenössischer
und
führender
Museen,
sich
eines
Genies
anzunehmen.
Rembrandt
van
Rijn,
von
1606
bis
1669,
war
sicherlich
einer
der
künstlerisch
ein-
flussreichsten,
wirtschaftlich
erfolgreichsten
und
bedeutendsten
Maler
des
17.
Jahrhunderts.
Dementsprechend
groß
ist
auch
sein
Œuvre:
Es
umfasst
hunderte
von
Gemälden
und
Radierungen,
sowie
rund
eintausend
Zeichnungen. Die Kernthemen umfassen Portraits, Landschaften und religiöse Themen.
Das
Kunsthistorische
Museum
widmet
Rembrandt
van
Rijn
zum
ersten
Mal
überhaupt
in
seiner
130
jährigen
Geschichte
eine
große
Sonderausstellung.
Sie
zeigt
in
Österreich
eine
noch
nie
dagewesene
Vielfalt
an
Hauptwerken
eines
der
bedeutendsten
holländischen
Barockkünstler
und
wählt
dazu
einen
besonderen
Zugang:
Rembrandts
Gemälde
werden
Werken
seines
Schülers
Samuel
van
Hoogstraten
(1627–1678)
gegenübergestellt.
Zur
Vorbereitung
und
zum
Nachlesen
kann
ich
nur
wärmstens
den
überaus
gelungenen
Katalog
empfehlen,
im
Belser
Verlag
erschienen,
von
Sabine
Pénot
herausgegeben.
Als
Kuratorin
meint
sie
zu
ihrer
Herangehensweise:
„Die
Faszination
für
Illusion
und
der
Geist
der
Zeit
sollen
begreifbar
gemacht
und
in
die
Jetztzeit
übertragen
werden.“
Der MÜRZPANTHER hat sich dieser „
faszinierenden illusionistischen Grenzerfahrung
“ hingegeben.
Dem
barocken
Star
wird
ein
Schüler
namens
Samuel
van
Hoogstraten
zur
Seite
gestellt,
von
Sabine
Pénot
als
„Outsider“
bezeichnet.
Das
Genie
des
Meisters
allerdings
blitzt
bei
diesem
höchstens
in
der
technischen
Fertig-
keit
durch,
selten
in
Farbgebung
oder
Komposition.
Und
schon
gar
nicht
im
sensationellen
Gebrauch
Rembrandts
von
Licht.
Gerade
wenn
Portraits
der
beiden
Künstler
nebeneinander
hängen,
wird
der
direkte
Vergleich
möglich.
Dabei
zeigt
sich,
dass
bei
fast
ident
gesetztem
Licht,
fast
identer
Komposition
immer
noch
neben
der
herausragenden
technischen
Fertigkeit
beider
der
Unterschied
besteht,
dass
Hoogstraten
die
Tiefe
der
Stimmung,
die
Rembrandts
Werke
so
einmalig
und
anziehend
macht,
nicht
annähernd
erreicht.
Die
Faszination
der
unglaublichen
Lichtsetzung
findet
in
dem
Gemälde
Nachtlandschaft
mit
der
Ruhe
auf
der
Flucht
nach
Ägypten
einen
Höhepunkt.
Ein
kleines
Bild
auf
Holz:
34
x
48cm,
„
das
als
seine
größte
Errungenschaft
in
der
Erforschung
der
Farbe
des
Lichts
gelten
muss
“
meint
dazu
die
Kuratorin
im
Begleitband.
Die
warmen,
rötlichen
Farbtöne
des
Lagerfeuers
treffen
dabei
auf
den
kühlen,
blaustichigen
Widerschein
des
Mondes
und
des
Nachthimmels.
Ein
Bild
von
unglaublicher
Ruhe,
Geborgenheit,
genau
das
Gegenteil
zur
Vorstellung
von
Flucht.
Vielleicht liegt gerade in dieser Diskrepanz der Reiz und die Anziehungskraft des Bildes.
Wie
kaum
ein
anderer
Maler
des
Barock
hat
Rembrandt
die
Wirkung
seiner
Bilder
auf
die
Betrachtenden
durch
emotional
berührende
Darstellungen
gesteigert.
Die
Farbe,
die
Beleuchtung,
der
Pinselauftrag,
die
Komposition
–
viele
Details
zielen
hierauf
ab.
Rembrandt
war
ein
Bildregisseur,
der
Handlungen,
biblische
Geschichten,
möglichst
dramatisch
und
zugleich
möglichst
realistisch
inszenierte.
Diesen
Effekt
zeigt
auch
ein
frühes
Bild
des
Meisters:
Alter
Gelehrter
in
einer
Gewölbekammer
(Hl.
Anastasius).
Anhand
dieses
Bildes
gibt
der
Katalog
Ein-
blick
in
die
Diskussion,
in
die
Lehre
Rembrandts
und
die
Auseinandersetzung
darüber
mit
seinem
Schüler,
der
darauf
bezugnehmend
in
seinem
Malereitraktat
Inleyding,
einer
einzigartigen
schriftlichen
Quelle
für
das
Ver-
ständnis
von
Rembrandts
Kunst,
junge
Künstler
dazu
auffordert:
„
Lasst
Eure
stärksten
Lichter
freundschaftlich
von schwächeren begleiten“
und „
lasst Eure tiefsten Dunkelheiten von helleren Dunkelheiten umgeben sein.
“
Aber
bereits
zu
Beginn
der
Ausstellung
im
ersten
Raum
trifft
man
auf
die
vielschichtige
Thematik
der
Ausstellung
rund
um
den
meisterhaften
Farbeinsatz
der
beiden
Maler.
Mit
ihrer
virtuosen
Farbgebung
gelingt
ihnen
eine
naturgetreue
Darstellung
von
Licht
und
Schatten,
die
den
Werken
eine
effektvolle
Dreidimensionalität
und
sogar
die
Illusion
einer
leichten
Bewegung
verleiht.
Besonders
eindrucksvoll
neben
den
oben
genannten
Gemälden
zu
beobachten ist das bei Rembrandts
Die heilige Familie mit dem Vorhang.
Ein Star und ein Outsider, Bild an Bild, Seite an Seite.
Getäuscht werden Sie - wenn Sie sich darauf einlassen - mit ganz feiner Klinge.
Zwei
Hauptwerke
Hoogstratens
des
Kunsthistorischen
Museums
sind
Beispiele
einer
speziellen
Kunstfertigkeit,
auf
die
sich
die
Ausstellung
als
weiteren
Themenschwerpunkt
konzentriert:
die
Illusion
-
oder
in
der
Sprache
der
Kunstgeschichte:
Trompe
l`oeil,
die
Augentäuschung.
Zauberei
dürfen
und
sollen
Sie
sich
jetzt
nicht
erwarten,
getäuscht
werden
Sie
-
wenn
Sie
sich
darauf
einlassen
-
mit
ganz
feiner
Klinge.
Das
eine
Hauptwerk
ist
die
Darstellung
Alter
Mann
im
Fenster
,
das
andere
ein
Stillleben
mit
diversen
Alltagsgegenständen.
Essentiell
für
die wirksame Augentäuschung sind die Rahmung, Positionierung, Farbgebung und Beleuchtung eines Werks.
Rembrandt
beherrscht
sie
meisterhaft
und
spielt
besonders
in
seinen
Porträts
mit
den
Grenzen
menschlicher
Wahrnehmungsfähigkeit
zwischen
Bild-
und
Betrachterraum.
Er
verleiht
seinen
Figuren
durch
das
Integrieren
von
fingierten
Bilderrahmen
und
architektonischer
Durchblicke
sowie
den
dramatischen
Einsatz
von
Licht
eine
außergewöhnliche
Präsenz
und
Tiefe.
So
lässt
man
sich
gerne
hinter`s
Licht
führen
-
gerade
von
einem
wahren
Meisterwerk:
Mädchen in einem Bilderrahmen.
Es bereitet Freude, den Katalog durchzublättern, Halt zu machen und sich in die
Materie zu vertiefen. Schwer fällt das von Anfang an nicht, der Einband besticht
bereits durch die besondere Haptik.
Der Begleitband ist darüberhinaus sehr sorgfältig gestaltet: Die Ausstellungsbilder
sind auf goldenem Untergrund, die nicht ausgestellten auf weißem, es besteht
eine klare Gliederung in Themenbereiche, besonders angenehm ist die
Gestaltung und Verhältnis von Bild zu Text. Die Reproduktionen können sich
sehen lassen, allerdings empfehle ich für die Wirkung der unglaublich
facettenreichen Lichtgebung von Rembrandt die Ausstellung zu besuchen.
Foto: der MÜRZPANTHER
Rembrandt Harmensz. van Rijn
Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646, Holz, 46,8 × 68,4 cm
© Hessen Kassel Heritage, Gemäldegalerie Alte Meister
Foto: Arno Hensmanns
Bild links:
Samuel van Hoogstraten
Alter Mann im Fenster, 1653
Leinwand, 114,9 × 91,3 cm
Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
© KHM-Museumsverband
Bild rechts:
Rembrandt Harmensz. van Rijn
Mädchen in einem Bilderrahmen, 1641
Holz, 105,5 cm x 76,3 cm
Königliches Schloss Warschau – Museum
© The Royal Castle in Warsaw – Museum
Foto: Andrzej Ring, Lech Sandzewicz
Illusionistische
Darstellungen
von
Figuren,
die
hervortreten
oder
sich
nach
vorne
beugen,
und
damit
eine
physische
Bewegung
vollziehen,
beschäftigen
Rembrandt
bereits
Ende
der
Dreißiger
Jahre
des
17.
Jahrhunderts.
1641
entsteht
dann
das
Gemälde
mit
dem
Mädchen
im
Bilderrahmen,
einem
Portrait
in
historisierendem
Kostüm.
Die
Illusion
der
Vorwärtsbewegung
-
wie
auch
dem
Katalog
zu
entnehmen
ist
-
ergibt
sich
dadurch,
dass
das
Mädchen
den
sie
umgebenden
Bilderrahmen
ergreift.
Sensationell
ist
die
Darstellung
des
schief
nach
vorne
hängenden
Ohrringes
des
Mädchens,
ein
Detail
das
die
physische
Bewegung
glaubwürdig
macht
und
unterstreicht.
Die
Glanzpunkte
des
Schülers
von
Rembrandt,
Samuel
van
Hoogstraten,
stammen
aus
diesem
Genre
des
Erstaunens.
Geschickt
platziert
in
einiger
Entfernung
wäre
man
nicht
der
Erste,
der
diesem
Maler
auf
den
Leim
gehen
würde.
Schon
1651
-
ausgerechnet
bei
einem
Besuch
in
Wien
-
täuschte
er
mit
einem
seiner
Trompe
l`oeil
Stillleben
Kaiser
Ferdinand
III,
der
ihm
daraufhin
sagen
ließ,
dass
er
zur
Strafe
dieser
Täuschung
das Bild nicht wieder haben solle …
Das
Resümee?
Die
ausgestellten
Werke
sind
sehenswert!
Der
Katalog
ist
sehr
sorgfältig!
Der
Vergleich
zwischen
den
Künstlern
funktioniert
nicht
ganz.
Rembrandt
verhält
sich
zu
Hoogstraten
wie
ein
Sonnenuntergang
in
der
Natur zu einem Sonnenuntergang am Handy. Bei dem einen verweilt man, das andere wischt man weg …
Rembrandt verhält sich zu Hoogstraten wie ein Sonnenuntergang in der Natur zu …