DAS OEUVRE DER NATUR
Natur
hat
unzählige
Facetten.
Aggregatzustände,
Farben,
Lebensformen,
Anpassungen,
Überlebensstrategien.
Dieses
Meer
an
Variationen
wurde
natürlich
bereits
früh
auch
für
künstlerische
Darstellungen
genutzt,
nicht
zuletzt
für
Allegorien
der
Lebensabschnitte
der
Menschen.
Benutzt
für
die
Darstellung
der
Macht
und
des
Prunkes
in
den
Gärten
und
Parkanlagen
durch
die
Geschichte
der
Neuzeit.
Oder
auch
als
Sehnsuchtsort
in
Form
von
Schrebergärten.
Die
Vielfalt
des
Natürlichen
setzt
ich
also
in
der
Vielfalt
der
Nutzung,
der
Darstellung
von
Natur
fort
…
und
es
entsteht
der
Eindruck,
dass
sich
die
Menschheit,
je
weiter
sie
sich
vom
Natürlichen
entfernt,
umso
intensiver
mit
dem
Thema
als
„Kunstgegenstand“
auseinandersetzt.
Dabei
gelangt
man
schnell
zu
der
Frage:
Kann
Kultur
überhaupt
etwas
aufzeigen
und
erweitern,
was
bereits
perfekt
ist?
Perfekt
nicht
in
seiner
Endgültigkeit,
besteht
doch
ein
permanenter
Wandel,
sondern
in
seinem
Ausdruck
von
natürlich
Entstehendem.
Heißt
das
aber
im
Umkehrschluss,
dass
die
künstlerische
Auseinandersetzung
mit
Natur
ohnedies
vergebene
Liebesmüh
ist?
Keinesfalls!
Aber
wie
es
verschiedene
Zugänge
zu
beispielsweise
Gärten
-
als
Abbild
der
Natur
-
gibt,
so
viele
Zugänge
gibt
es
auch
im
künstlerischen
Sinn.
Von
zentimetergenauen
Überlegungen
der
Anlage
bis
hin
zu
ungemähten
„Naturstücken“
als
Inbegriff
eines
Lebensraumes.
Auf
Leinwand
und
in
Objektpräsentation
übertragen …
Das
Museums
Quartier
in
Wien
hat
eine
schöne
Wahl
getroffen,
indem
es
die
Ausstellung
„all
this
–
herman
de
vries“
im
Freiraum
präsentiert.
Natürlich
haben
sich
auch
diesbezüglich
Fragen
aufgeworfen,
die
der
MÜRZPANTHER der MQ Chefkuratorin der Ausstellung, Verena Kaspar-Eisert gestellt hat.
Die
Lebensspanne
des
Niederländischen
Künstlers
Herman
de
Vries
erstreckt
sich
bereits
seit
dem
Jahre
1931.
Deswegen
verwundert
es
wenig,
wenn
Arbeiten
aus
den
letzten
fünfzig
Jahren
zu
sehen
sind
-
in
der
ersten
Einzelausstellung des Künstlers in Österreich.
„Om
iets
over
hed
werk
van
herman
de
vries
de
kunnen
vertellen,
is
het
noodzadelijk
om
erst
wat
te
zeggen
over
de
modernen
stromingen
in
het
allgemeen.“
Das
sind
die
Worte
von
J.
Ermers
zur
ersten
Ausstellung
von
Herman
de
Vries
in
Amsterdam
im
Jahre
1954.
„
Um
etwas
über
die
Arbeit
von
Herman
de
Vries
sagen
zu
können,
ist
es
notwendig,
zunächst
etwas
über
moderne
Trends
im
Allgemeinen
zu
sagen.
“
Die
Begleitworte
schließen
mit:
„
Der
streng
persönliche
Charakter
der
abstrakten
Kunst
macht
es
für
den
aufmerksamsten
Betrachter
unmöglich,
die
Ausdrucksformen
zu
erfahren,
geschweige
denn
zu
verstehen,
und
ist
daher
für
Dritte
oft
bedeutungslos, wenn nicht gar inakzeptabel.“
Ist
das
Werk
von
Herman
de
Vries
heute
noch
immer
unverständlich,
gar
inakzeptabel?
Oder
ist
es
das
wieder,
weil
sich
der
Zugang
zu
Natur
in
den
letzten
Jahrzehnten
in
Richtung
Nutzung,
zu
einer
ausschließlich
verwertbaren
Ressource
verschoben
hat?
Und
ist
es
resultierend
aus
dieser
Sichtweise
in`s
Gegenteil
verkehrt
Trend
geworden,
Natur
als
lebendige
und
autonome
Akteurin
wahrzunehmen,
deren
dynamische
und
selbst-
bestimmte
Existenz
unsere
Wahrnehmung
herausfordert
und
bereichert
-
wie
aus
der
Sicht
von
Herman
de
Vries?
Schöner
kann
man
diese
Gegensätzlichkeit
kaum
ausdrücken,
als
der
Künstler
selbst:
Am
Beginn
der
Ausstellung
hängt
für
mich
das
eigentlich
eindrücklichste
und
bedeutendste
Werk
der
Naturdarstellung.
Die
Weidenblätter,
die
vom
Baum
gefallen
sind.
Arrangiert
in
Objektrahmen.
Links
in
Reih
und
Glied,
geordnet,
nach
einem
System.
Rechts
wild
durcheinander,
entsprechend
der
Unordnung
der
Natur.
In
beiden
Fällen
bahnt
sich
auch
der
bestechende Rotton der herbstlichen Blätter den Weg direkt in die Areale des Hippocampus, zur Erinnerung …
dMP:
Der
Eindruck
der
Ausstellung
überrascht:
Objektrahmen,
gefüllt
mit
Natur,
wie
zum
Beispiel
Schneckenhäusern,
kennt
man
von
lange
geänderten
Ausstellungspräsentationen
–
die
alle
modernisiert
und
interaktiv
gestaltet
wurden.
Ich
denke
dabei
an
das
Naturhistorische
Museum
in
Wien,
oder
auch
an
Schaukästen
voller
aufgespießter
Käfer
oder
Schmetterlinge.
Worin
unterscheiden
sich
die
Zugänge
–
außer
dem Argument der „künstlerischen“ Darstellung?
Verena
Kaspar-Eisert:
Der
Unterschied
liegt
im
Zweck
und
Zugang:
Während
naturhistorische
Sammlungen
klassi-
fizieren,
ordnen,
analysieren,
verfolgt
herman
de
vries
eine
zutiefst
phänomenologische
Herangehensweise.
Er
sammelt nicht, um zu erklären – sondern um die Dinge in ihrer reinen Existenz sichtbar werden zu lassen.
Seine
Präsentationen
sind
nicht
didaktisch
–
sie
laden
zur
offenen
Wahrnehmung
ein.
Die
Auswahl
ist
intuitiv,
sinnlich
und
poetisch.
Wo
im
Naturkundemuseum
eine
Systematik
herrscht,
herrscht
bei
de
vries
Stille,
Leere,
Offenheit.
Zudem
hinterfragt
er
genau
jene
Kategorisierungssysteme
und
Hierarchien,
die
im
westlichen
Denken
tief
verankert
sind
–
nicht
zuletzt
durch
seine
Entscheidung,
seinen
Namen
konsequent
kleinzuschreiben,
als
Zeichen
gegen Hierarchie und Ego.
Wo im Naturkundemuseum eine Systematik herrscht, herrscht bei de vries Stille, Leere, Offenheit.
„ich mache nichts, ich zeige“ – ein Satz, der genau diese Haltung verdeutlicht.
dMP:
Ist
es
nicht
leicht
absurd,
sich
Gräser
statt
in
der
Natur
in
einem
Museum
hinter
Glas
anzuschauen?
Besteht
gerade
im
Fokus
der
„Natur
als
autonomes
Kunstwerk“
nicht
ein
starker
Widerspruch?
Denn
Natur
per
se
ist
frei
von
Sichtweisen,
Interpretation
oder
auch
moralischer
Darstellung.
Wenn
es
zum
„Kunstwerk“ gemacht wird, legen wir all dies über die Natur!
Verena
Kaspar-Eisert:
Diese
Frage
greift
genau
das
zentrale
Spannungsfeld
auf,
das
herman
de
vries
bewusst
thematisiert.
Für
ihn
besteht
kein
Widerspruch
darin,
Natur
im
Museum
zu
zeigen
–
vielmehr
hebt
er
Natur
als
sie
selbst
hervor.
Seine
Werke
sind
keine
Repräsentationen
oder
Interpretationen,
sondern
Präsentationen:
das,
was ist.
Indem
er
Naturmaterialien
unverändert
–
also
ohne
künstlerische
Manipulation
–
in
einen
neuen
Kontext
stellt,
lenkt
er
die
Aufmerksamkeit
auf
die
Eigenwertigkeit
der
Dinge.
Er
spricht
von
einer
„kontemplativen
Konfrontation“
mit
dem
Gegebenen.
Der
Museumsraum
wird
so
nicht
zur
Bühne
für
Inszenierung,
sondern
zu
einem
Ort
der
Erkenntnis:
Was
wir
sehen,
ist
nicht
„Natur
als
Kunst“,
sondern
Natur
in
ihrer
unverfügbaren
Präsenz – und zugleich unsere eigene Perspektive darauf.
herman
de
vries
schreibt:
„ich
mache
nichts,
ich
zeige“
–
ein
Satz,
der
genau
diese
Haltung
verdeutlicht.
Die
Rahmung hebt nicht das Objekt hervor, sondern unsere Beziehung zu ihm.
dMP:
Die
Werke
sind
sehr
vielfältig,
besonders
stechen
die
grafischen/fotografischen
Aspekte
hervor.
Nach
welchen Gesichtspunkten haben Sie diese Ausstellung kuratiert?
Verena
Kaspar-Eisert:
Die
Ausstellung
habe
ich
gemeinsam
mit
dem
Kunsthistoriker
Cees
de
Boer
kuratiert,
der
herman
de
vries
seit
vielen
Jahren
begleitet.
Unser
kuratorischer
Ansatz
war
es,
die
Vielschichtigkeit
und
mediale Spannweite seines Werkes zu zeigen.
Ein
besonderes
Augenmerk
liegt
auf
der
Werkgruppe
„steigerwald
cosmology
II“,
die
sich
aus
einer
Vielzahl
von
Elementen
zusammensetzt,
sowie
auf
dem
Wittgenstein-Kabinett,
in
dem
Arbeiten
in
Bezug
auf
Wittgensteins
Philosophie stehen.
Dabei
war
uns
wichtig,
sowohl
die
ästhetische
Präzision
als
auch
die
radikale
Einfachheit
des
Werkes
sichtbar
zu
machen – ebenso wie die dahinterliegende Haltung: achtsam, nicht-dogmatisch, frei von Bewertung.
dMP: Soll die Ausstellung die Besucher animieren, in der Natur die Schönheit zu suchen und zu finden?
Verena
Kaspar-Eisert:
Nicht
im
Sinne
eines
Appells
–
aber
vielleicht
im
Sinne
eines
Innehaltens.
herman
de
vries
möchte
keine
Botschaften
vermitteln,
sondern
Räume
öffnen:
für
Wahrnehmung,
für
Aufmerksamkeit,
für
das,
was ist.
Wenn
Besucher:innen
nach
dem
Ausstellungsbesuch
mit
wacherem
Blick
durch
einen
Wald
gehen,
das
Muster
eines
Blattes
betrachten
oder
den
Geruch
von
Erde
bewusster
wahrnehmen
–
dann
wäre
genau
das
geschehen,
worauf seine Arbeit zielt: ein radikales Hiersein im Jetzt.
In
diesem
Sinne
steht
das
Werk
von
herman
de
vries
weniger
für
eine
Erzählung
über
Natur,
sondern
für
eine
Einladung, sich selbst als Teil eines größeren Ganzen wahrzunehmen – frei von Trennung, frei von Interpretation.
Die
Ausstellung
Herman
de
Vries
im
Freiraum
des
Museums
Quartiers
lebt
davon,
dass
die
Natur
für
sich
sprechen
kann.
Zu
sehen
sind
Installationen
mit
108
Pfund
(~49
kg)
getrockneten,
duftenden
Rosenblüten,
Steinen
oder
gesammelten Naturelementen und systematisch gelegte oder zufällig gefallene Blätterarbeiten.
„Ich halte mich an die Wirklichkeit. (…) Ich halte mich an das Material.
Ich komponiere auch nicht, aber ich muss es selbst sehen und ich muss es selbst tun.“
so herman de vries.
Der
interessante
Zugang
dieser
sehenswerten
Ausstellung,
kuratiert
von
Cees
de
Boer
&
Verena
Kaspar-Eisert,
ist
bis
10.08.2025
im
MQ
Freiraum
zu
erfahren.
Ich
persönlich
empfinde
wie
der
Künstler
selbst
große
Freude,
die
Natur
aufzunehmen
und
werde
mich
jetzt
mit
einem
gepflegten
Getränk
zu
meinen
Lilien,
Schmetterlingen,
Laufkäfern, Staudengewächsen und Vögeln in die wild wachsenden Gräser meines Gartens setzen …
„I
ch komponiere auch nicht, aber ich muss es selbst sehen und ich muss es selbst tun.“
Ein
zentrales
Thema
seines
Schaffens
stellen
die
vergleichenden
Landschaften
dar
-
der
Erdausreibungsarbeit.
Fasziniert
von
Erde
zeigt Herman de Vries die Varianten der Natur auf.
Wenn
man
vor
diesen
Blättern
steht,
wünscht
man
sich
auch
das
haptische Erlebnis! Dazu muss man aber in den Wald gehen …
Fotocredit: all this herman de vries, MQ Simon Veres, medium 3
Man
könnte
es
für
Fotografie
halten
-
ist
es
aber
nicht.
Die
Natur
der
Sache
erschließt
sich
dem
Betrachter
erst
in
der Ausstellung, erst vor Ort!
Fotcredit: herman de vries 2021
sommergräser
Die Materialien sind so vielfältig wie die Natur selbst:
Erde, Stein, Holz, sogar Rosenblüten duften in der Ausstellung.
Empfehlenswert!
Foto: der MÜRZPANTHER