der muerzpanther
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BEI KOLLISION: TOD! Die   Zerstückelung   und   Einengung   der   Lebensräume   durch   den   Ausbau   von   Verkehrswegen   und   die   Zunahme   des Straßenverkehrs   in   Österreich   kosten   100   000   Wildtiere   Jahr   für   Jahr   das   Leben.   Alleine   in   der   Steiermark   wer- den   mehr   als   7.000   Kollisionen   mit   Rehen   gemeldet.   Um   dieses   Problem   zu   bekämpfen,   wurde   vor   zehn   Jahren das   Projekt   „Wildtierschutz   und   Verkehrssicherheit   Steiermark“   ins   Leben   gerufen.   Zentral   für   den   Erfolg   ist   die     Zusammenarbeit   von   Land   Steiermark,   der   Steirischen   Landesjägerschaft   und   den   Land&Forst   Betrieben   Öster- reichs.   Nach   10   Jahren   des   Bestehens,   einer   Investitionssumme   von   insgesamt   75.000   €,   dem   Anbringen   von 59.000   optischen   Wildwarnreflektoren,   ca.   3.570   optisch-akustischen   Wildwarngeräte   und   53   Mal   olfaktorischer Vergrämung   auf   ca.   830   km   Landesstraßen   gibt   es   überzeugende   Ergebnisse:   Die   Nachtunfälle   mit   Rehwild   sind um 40% bei optischen, um 70% bei optisch- akustischen Präventionsmaßnahmen zurückgegangen! Maßgeblich   verantwortlich   zeichnet   dafür   Hr.   Dr.   Steiner,   der   20   Jahre   an   der   Boku   in   Wien   tätig   war,   unter   an- derem   für   Wildtierschutz   und   Verkehrssicherheit.   Seit   einigen   Jahren   arbeitet   er   bei   Land&Forstbetriebe   Öster- reich,   wo   er   zur   Zeit   zwei   große   Projekte,   „Wild   und   Verkehr   Niederösterreich“   und   „Wildtierschutz   und   Ver- kehrssicherheit   in   der   Steiermark“   betreut.   In   diesen   Bundesländern   befinden   sich   das   größte   Streckennetz   an Landesstrassen   und   die   größte   Rehwildpopulation.   Der   MÜRZPANTHER      hat   in   einem   Interview   umfangreiche Informationen zu diesem Thema, das wahrscheinlich Jeden betrifft, eingeholt.
dMP: Kann jeder Einzelne zum Schutz der Wildpopulation etwas beitragen? Dr.   Steiner:   Ein   großes   JA!   Ein   essentielles   Problem   stellt   dar,   dass Autofahrer   nicht   durchgehend   das   Umfeld   der Straße    beobachten    und    leider    mit    überhöhter    Geschwindigkeit    fahren.    Würden    sie    den    Straßenrand    mehr beachten, könnten sie viele Situationen selbst entschärfen und damit sehr, sehr viele Wildunfälle verhindern. dMP:   Aber   da   gibt   es   ja   auch   die   Verkehrsschilder,   die   vor   Wildwechsel   warnen.   Genügen   diese   nicht,   dass Autofahrer die Geschwindigkeit senken? Dr.   Steiner:   Da   kommt   dann   auch   das   Menschliche   in`s   Spiel   und   auch   der   „Schilderwald“   auf   den   Straßen,   der gerne   übersehen   wird,   weil   man   a ls    Autofahrer   nicht   ständig   in   Angst   und   Furcht   leben   möchte,   dass   etwas passieren   könnte.   Damit   die   Aufmerksamkeitsspanne   des   Autolenkers   nicht   überstrapaziert   wird,   denke   ich daran   in   einigen   Jahren   Warnungen   sehr   punktuell   und   anlassbezogen   zu   setzen,   bei   hotspots,   die   wir   räumlich und zeitlich vorfinden. dMP:   Können   Autofahrer   im   Wissen   um   Wildtierschutzmaßnahmen   nicht   der   Meinung   sein:   Diese   warnen ohnedies das Wild und ich brauch nicht langsamer fahren? Dr.   Steiner:   Ich   hoffe,   dass   die   Autofahrer,   gerade   weil   solche   Schutzmaßnahmen   getroffen   werden,   daraus schließen,   dass   eine   Gefahr   droht.   Diese   Maßnahmen   helfen   definitiv,   das   haben   wir   nachgewiesen.   Weit   über 90%   der   Schutzmaßnahmen,   die   wir   anbringen   können,   sind   allerdings   nur   in   der   Nacht   wirksam,   da   sie   nur   bei einem    genügend    großen    Helligkeitsunterschied    funktionieren.    Sie    brauchen    das    Scheinwerferlicht    des    sich annähernden   Fahrzeuges,   um   das   Licht   links   und   rechts   in   die   Natur   zu   lenken,   das   Wild   potentiell   kurz   blendet und es zum Stehenbleiben zwingt. dMP:   Zeitlich   sind   wahrscheinlich   die   Dämmerungs-   und   Abendstunden   die   gefährlicheren   -   gerade   im Herbst in der Brunftzeit! Dr.   Steiner:   Früher   hat   man   diese   Aussage   genau   so   getätigt.   Oftmals   war   auch   die   Zeitumstellung   sehr   gut   zu sehen,    wenn    die    Hauptaktivitätszeit    von    Rehwild    mit    dem    Berufsverkehr    zusammenfiel.    Mittlerweile    ver- schwimmt   das   auch   durch   die   Arbeitssituation:   home   office,   Gleitzeiten,   usw.   Aber   auch   das   Freizeitverhalten der   Menschen   in   der   Natur   hält   heutzutage   Wildtierpopulationen   ständig   in   Bewegung.   Es   gibt   Erholungs- suchende,   die   mitten   in   der   Nacht   mit   Stirnlampe   ihre   Joggingrunden   drehen.   Oder   Spaziergänger   mit   Hunden, die   in   den   frühesten   Morgenstunden   gehen.   Sie   bekommen   natürlich   nicht   mit,   wie   sehr   das   die   Wildtiere   stört   Rehwild   merken   solche   Störungen   bis   zu   einem   Kilometer   und   flüchten   teilweise   panisch,   weil   sie   es   als   Gefahr einstufen. Das Aufweichen der Gefahrenzeit führt daher dazu, dass es gehäuft auch Unfälle mitten am Tag gibt.
dMP: Wie funktionieren die akustischen Geräte? Dr.   Steiner:   Die   optischen   mit   Spiegelsystemen.   Optisch-   akustische   Wildwarngeräte   sind   durchgehend   solar betrieben,   über   eine   Zelle,   die   einen   Akku   oder   Kondensator   speist.   Die   Auslösung   ist   aber   ident,   man   braucht das   Scheinwerferlicht   als   „Trigger“.   In   der   Nacht   trifft   das   Licht   auf   das   Gerät   und   löst   einen   Warnton,   der   wie wie eine kleine Sirene klingt, aus. Zusätzlich wird ein optischer Reiz mittels blinkender LED Lampen abgegeben. dMP: Könnte man diese akustischen nicht auch über den Tag hindurch betreiben? Dr.   Steiner:   Das   ist   technisch   definitiv   umsetzbar,   aber   zu   teuer,   weil   es   nur   sehr   wenige   Anbieter   gibt.   Man könnte   technisch   für   den   Tag   ein   Radargerät   einsetzen,   dass   herannahende   Autos   erkennt.   Von   diesen   kostet eines   zwischen   5000   und   6000   Euro.   Es   gibt   natürlich   auch   „kleinere“,   die   wie   Garagentoröffner   funktionieren, aber   wir   brauchen   die   Distanz:   Die,   die   wir   einsetzen,   funktionieren   auf   etwa   300   Meter.   Aber   auch   bei   diesen Geräten wird bei weit überhöhten Geschwindigkeiten der Autofahrer die Vorwarnzeit für das Wild zu kurz! dMP: Das sind viele interessante und neue Aspekte … Dr.   Steiner:   Manchmal   wundert   es   mich   ein   bisschen,   dass   darauf   medial   nicht   mehr   Augenmerk   gelegt   wird, zumal   das   Thema   keine   Gegnerschaft   hat.   Ich   glaube   jeder   will   Wildunfälle   vermeiden.   Wichtig   ist,   dass   wir   die unterschiedlichsten   Projektpartner   und   Interessensgruppierungen   an   einen Tisch   gebracht   haben,   weil   es   ja   auch eine    Finanzierung    braucht.    Mittlerweile    funktioniert    es    gut    –    durch    alle    politischen    Parteien,    in    allen Bundesländern. DMP: Gibt es internationale Vergleiche – auch für einen Erfahrungsaustausch? Dr.   Steiner:   Ich   bin   international   eng   vernetzt.   Aber   vergleichbare   Projekte   wie   diese   beiden   in   der   Steiermark und   in   NÖ   gibt   es   weltweit   nicht   einmal   annähernd!   Das   hängt   vielleicht   auch   damit   zusammen,   dass   viele Wissenschafter Finanzierungen nur für ein bis drei Jahre bekommen - für solche Projekte viel zu kurz! Daneben   gibt   es   intern   Konflikte   mit   Institutionen,   die   seit   Jahren   behaupten,   dass   Wildwarnreflektoren   nicht wirken.   Diese   Aussage   wird   oft   durch   Studien   „belegt“,   die   gerade   einmal   ein   Jahr   andauern,   in   der   möglicher- weise   auch   komplett   wirkungslose   Wildwarnreflektoren   verwendet   werden.   Ich   möchte   das   kurz   ausführen:   Es gibt   eine   Unmenge   an   Wildwarnreflektoren   am   freien   Markt.   Prinzipiell   kann   jeder   in   seiner   Werkstatt   solche Geräte   herstellen   und   offiziell   als   Wildwarnreflektor   über   das   Internet   verkaufen.   Als   Profi   erkennt   man   aber, dass   Vieles   davon   einfach   Müll   ist.   Viele   strahlen   in   den   Verkehr   zurück   und   blenden   die   Fahrer   -   was   straßen- rechtlich verboten ist.
dMP:   Die   Daten   kommen   von   den   Jagdrevieren   –   endet   die   Umsetzung   der   Wildtierschutzmaßnahmen   auch dann an den Reviergrenzen und wer muss seine Zustimmung für die Umsetzung geben? Dr.   Steiner:   Der Ablauf   ist   folgender:   Reviere,   die   ein   Problem   haben,   melden   sich   zur   Projektteilnahme.   Die An- meldung   erfordert   mindestens   zwei   Jahre   an   Wildunfalldaten,   die   wir   brauchen,   um   in   die   Vorplanung   gehen   zu können.   Das   geht   von   „Minijagden“   mit   zweihundert   Metern   Landesstraße   bis   zu   riesigen   Gemeindejagden   mit ein   paar   tausend   Hektar   Fläche.   Natürlich   haben   wir   als   Regulativ   den   finanziellen   Deckel,   ich   kann   also   nicht immer   alle   Reviere   bearbeiten,   die   sich   anmelden.   Und   ja   –   die   Maßnahmen   hören   an   der   Reviergrenze   auf,   weil das   Revier   auch   einen   finanziellen   Beitrag   leistet   und   über   dessen   Jagdgrenze   hinaus   keine   Daten   vorliegen.     Entscheidend    ist    die    Zustimmung    vom    Straßenerhaltungsdienst,    der    die    Oberhoheit    auf    allen    steirischen Landesstraßen hat - bis zum Ende des „Straßenraumes“, der auch die Straßenleitpflöcke beinhaltet. dMP: Kann man anhand der Daten der Reviere auf die Dunkelziffer der Wildunfälle schließen? Dr.   Steiner:   Das   ist   ein   wichtiges   Thema.   Man   kann   die   Dunkelziffer   nur   für   das   jeweilige   Jagdrevier   abschätzen. Wir   versuchen,   diese   im   Projekt   so   klein   wie   möglich   zu   halten,   in   den   offiziellen   Daten   der   Statistik Austria   ist sie   riesig!   Das   hat   viele   Gründe.   In   den   meisten   Bundesländern   ist   eine   Meldung   nicht   vorgesehen,   wenn   kein totes   Tier   vorgefunden   wird.   Oft   wird   der   Jäger   angerufen,   dass   sich   ein   Unfall   ereignet   hat.   Bis   der   Jäger   dann die   Stelle   findet   vergeht   oft   viel   Zeit,   aber   das   Tier   ist   nicht   mehr   da.   Er   macht   dann   noch   die   Nachsuche   mit dem   Hund,   wenn   er   es   aber   nicht   findet,   darf   er   offiziell   keinen   Wildunfall   melden.   In   den   Daten   für   unser Projekt,   darf   er   es   aber   sehr   wohl   als   Wildunfall   melden,   mit   der   Schlussbemerkung:   Wildtier   nicht   aufgefunden. Genauso   liegt   die   Verantwortung   für   die   Meldung   beim   Jäger,   wenn   irgendwo   ein   totes   Wildtier   aufgefunden wird. Er schätzt ein, ob die Ursache ein Verkehrsunfall war, oder ob es krank war. dMP: Ist die Montage der Geräte für heuer abgeschlossen? Dr.   Steiner:   Sie   ist   gerade   voll   im   Laufen,   der Ausgabetermin   für   die   Reviere   war   Ende August.   Jedes   Jahr   haben wir   neue   Reviere,   die   ihre   Erstausrüstung   bekommen,   und   eine   große   Zahl   an   Revieren   die   schon   länger   im Projekt sind und Reservegeräte nachbestellen oder bei denen eine Strecke umgerüstet wird. dMP: Müssen die Warngeräte auch erneuert, gewartet werden? Dr.   Steiner:   Die   normalen   straßendienstlichen   Reinigungen   des   Straßenpflockes   sind   ausreichend   –   zwei   Mal   im Jahr.   Die   optisch-akustischen   mit   Akkus   betriebenen   Geräte   sind   nicht   ganz   wartungsfrei   und   müssen   alle   fünf bis   sechs   Jahre   getauscht   werden.   Das   macht   übrigens   eine   steirische   Firma!   Das   große   Wort   in   unserem   Projekt ist   Kooperation.   Das   Ganze   funktioniert   nur,   wenn   alle   mithelfen:   die   Politik,   der   Straßenerhaltungsdienst   als Projektträger, die steirische Landesjägerschaft und der Tierschutz. Meine große Bitte an die Autolenker: Schaut ein bisschen links und rechts! dMP: herzlichen Dank für das spannende Interview!
Reaktionszeit ist kürzer kaum vorstellbar: Ein Wildtier springt auf die Straße, die Kollision lässt sich oft nicht verhindern. Personen können verletzt werden, das Auto ein Totalschaden sein und das Schlimmste daran ist, dass das Wildtier oft an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen durch den Zusammenprall erliegt. Manchmal kann es sich im Schock zum Sterben noch in den Wald schleppen. Was ist in einem solchen Fall zu machen? Stehen bleiben und Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anlegen, die Unfallstelle mit Pannendreieck absichern, verletzte Personen versorgen, Polizei und/oder örtliche Jägerschaft verständigen.   Aber bei aller Fahrfreude: Vermindern Sie einfach die Geschwindigkeit, um so ein Szenario zu verhindern - egal auf welcher Straße! Sie haben es in der Hand! Fotocredits: pixabay, Montage: der MÜRZPANTHER
Natürlich ist es schön, bei Sonnenaufgang mit seinem Vierbeiner spazieren zu gehen, aber vergessen Sie dabei nicht: Sie sind nicht alleine in der Natur! Deswegen nehmen Sie bitte auf die Wildtiere Rücksicht und wählen Sie dementsprechend ihre Hunderunde! Wildtiere haben einen unheimlich feinen Geruchssinn und empfinden Hunde oft als Gefahr! Fotocredit: pixabay
In der Mitte des Bildes (genau zwischen den Vierbeinern) befindet sich ein Straßenleitpflock mit optischem Reflektor, der die Wildtiere bei Herannahen eines Autos davon abhält, die Straße zu queren. Projektleiter Dr. Wolfgang Steiner (4. von li, zwischen  Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof- Saurau und Verkehrslandesrätin Claudia Holzer ) drückt den Kern für das Gelingen des Projektes folgendermaßen aus: „Wildunfallschutz kann nur gemeinsam erfolgreich gelebt und umgesetzt werden.“ © Foto: Land Steiermark/Wallner